von
Dr. Herbert Demmel und Karl Thomas Drerup
Stand: April 2006
Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V (DVBS)
Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e.V.
Mit freundlicher Unterstützung von NOVARTIS ophthalmics
Rechtsansprüche in verschiedenen Rechtsbereichen stehen blinden und sehbehinderten Menschen zur Verfügung. Sie sollen ihnen helfen, trotz ihrer Behinderung am Leben in der Gemeinschaft teilzuhaben und ein Selbstbestimmtes Leben zu führen. Andere Vorschriften, z. B. im Straßenverkehr, müssen beachtet werden, damit es nicht zu Schäden und zu Haftungsansprüchen kommt. Wieder andere Vorschriften sind im Rechtsverkehr, z. B. bei der Errichtung eines Testaments zu beachten.
Die Selbsthilfeorganisationen der blinden und sehbehinderten Menschen helfen bei auftretenden Schwierigkeiten durch ihre Interessenvertretung, Rechtsberatung und Rechtsvertretung.
Diese Schriftenreihe soll den ehrenamtlichen und hauptberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Selbsthilfeorganisationen dabei helfen, sich für die Rechtsberatung das notwendige Wissen zu erwerben. Die Schriften können insbesondere als Grundlagen für Schulungsseminare verwendet werden.
Auch allen anderen interessierten Personen und Institutionen, z. B. blinden und sehbehinderten Menschen, die mehr über ihre Rechte und Rechtspflichten erfahren wollen, sollen diese Hefte zur Information dienen.
Die Hefte 02 bis 10 sind jeweils einem eingegrenzten Thema gewidmet. Dadurch wird es möglich sein, die einzelnen Schriften rascher der aktuellen Rechtsentwicklung anzupassen
Bei der Darstellung der einzelnen Rechtsgebiete geht es uns in erster Linie nicht um rechtstheoretische Auseinandersetzungen. Vielmehr werden wir uns an der Rechtspraxis orientieren und insbesondere die Rechtsprechung berücksichtigen.
Ein Abkürzungsverzeichnis ist in einem eigenen Heft enthalten. Es gilt für alle Hefte dieser Schriftenreihe. Wichtige Gesetze enthält Heft 11. Zur Zusammenstellung dieser vollständigen Gesetzestexte haben wir uns entschlossen, weil nicht jeder Benutzer eine Gesetzessammlung zur Verfügung hat. Zahlreiche Bundesgesetze können kostenlos unter http://www.gesetze-im-internet.de/ nachgeschlagen werden. Im Internet stehen auch viele Landesgesetze zur Verfügung. Wichtige Gesetzestexte sind als Loseblattsammlungen in Blindenschrift bei der Deutschen Blindenstudienanstalt, 35037 Marburg, Am Schlag 8 erhältlich.
Im Folgenden werden die Titel der Schriften und jeweils einige Stichworte zu ihrem Inhalt genannt.
Begriffsbestimmungen - Behindertenausweis - Gleichstellungsgesetze
Behandelt werden Begriffsbestimmungen wie Behinderung, Blindheit und Sehbehinderung, ihre Feststellung, der Behindertenausweis sowie Benachteiligungsverbote und die Gleichstellungsgesetze
Gegenstand sind: das Recht auf Rehabilitation und Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, Das SGB IX und die Spezialgesetze "Soziale Krankenversicherung (SGB V)" und "Sozialhilfe (SGB XII)", Hilfsmittel zum Ausgleich der Behinderungsfolgen, Mobilitätstraining, Vermittlung lebenspraktischer Fähigkeiten, weitere Maßnahmen zur sozialen Eingliederung, persönliche Assistenz.
Stichworte sind: Frühförderung, Bildungswege, Kostentragung für Hilfsmittel und Lehrmittel. Assistenzleistungen, Teilnahme blinder uns sehbehinderter Kinder und Jugendlicher am Straßenverkehr, Kennzeichnungspflicht, Aufsichtspflicht, Behindertentestament.
Hier geht es um: Aus- und Fortbildung, Arbeitsplatzausstattung und Hilfsmittel zur Berufsausübung, Arbeitsassistenz, Kündigungsschutz, Behindertenwerkstätten und Blindenhandwerk
Behandelt werden: Das System des Blindengeldrechts. Geschichtliche Entwicklung, Leistungen nach den Landesgesetzen, ergänzende Blindenhilfe, Leistungen bei Pflegebedürftigkeit - Anrechnung auf das Blindengeld
Hier geht es um: Steuervergünstigungen, Freifahrt im Personennahverkehr, unentgeltliche Beförderung von Begleitpersonen, Kraftfahrzeughilfe, Parkerlaubnis, Rundfunkgebührenbefreiung, postalische Behandlung von Blindensendungen, Sozialtarife der Telekom
Stichworte sind: Die Sicherung des Lebensunterhalt während der Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen, Renten bei Minderung der Erwerbsfähigkeit, Altersrenten, Grundsicherung, Hilfe zum Lebensunterhalt.
Hier geht es um: Auswirkungen der Blindheit oder Sehbehinderung bei der Abgabe von Willenserklärungen oder den Abschluss von Verträgen, Besonderheiten im Mietrecht, Betreuung, Pflegschaft, Letztwillige Verfügungen, Beurkundungen, Haftung für Schäden.
Dieses Heft befasst sich mit der Durchsetzung von Rechten. Stichworte sind: Verwaltungsverfahren, Widerspruchsverfahren, Klagen vor Gericht, Rechtsberatung und -Vertretung.
Hier sind für diese Schriftenreihe wichtige Gesetze, Verordnungen und Richtlinien Zusammengestellt.
In diesem Heft werden wichtige Urteile und Gerichtsbeschlüsse nach Themen geordnet im Volltext wiedergegeben.
Eine systematische Einteilung des Rechts erleichtert die Orientierung und das Rechtsverständnis.
Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ist das Grundgesetz (GG) vom 23. Mai 1949.
Es umfasst das Staatsorganisationsrecht und die Grundrechte. Das GG regelt also den Staatsaufbau, legt die Staatsorgane fest, sorgt für die Balance zwischen Gesetzgebung (Legislative) und Gesetzesausführung (Exekutive) und sichert die rechtliche Überprüfung durch unabhängige Gerichte (Judikative).
Weil die Bundesrepublik ein föderaler Bundesstaat ist, werden die Kompetenzen, insbesondere die Zuständigkeiten für die Gesetzgebung und die Gesetzesausführung zwischen Bund und Ländern geregelt.
Ein wichtiges Verfassungsprinzip ist, dass die Bundesrepublik ein "sozialer Rechtsstaat" ist (Art. 20 Abs. I und 28 Abs. I GG). Diese Prinzipien verleihen dem Bürger alleine zwar keine subjektiven Rechte, sie müssen aber bei der Auslegung von Rechtsnormen beachtet werden und entfalten insbesondere im Zusammenwirken mit den Grundrechten ihre Wirkung.
Grundrechte sind alle Verfassungsnormen, die das Verhältnis des einzelnen Menschen zum Staat in einer für beide Teile verbindlichen Weise regeln. Die Grundrechte sind vor allem im ersten Abschnitt in den Art. 1 - 19 enthalten, finden sich aber auch an anderen Stellen des GG. Es sind die Art. 20 Abs. 4 (Widerstandsrecht gegen Angriffe auf die verfassungsmäßige Ordnung), 33 (Zugang zu öffentlichen Ämtern), 38 (Wahlrecht), 101 (Recht auf den gesetzlich bestimmten Richter), 103 (Recht auf rechtliches Gehör, Verbot der Bestrafung ohne vor der Tat erlassenes Strafgesetz) und 104 GG (Schutz der persönlichen Freiheit).
Historisch sind die Grundrechte als Abwehrrechte gegen Eingriffe des Staates entstanden (z. B. Schutz des Eigentums nach Art. 14 GG). Zwischenzeitlich werden aus ihnen aber auch Rechtsansprüche und Teilhaberechte, z. B. die Gewährung eines menschenwürdigen Lebens (Art. 1 GG) abgeleitet. Für die Rechtsstellung behinderter Menschen ist besonders Art. 3 GG mit seinem allgemeinen Gleichheitssatz (Abs. 1) und dem Benachteiligungsverbot (Art. 3 Abs. 3 S. 2) von Bedeutung.
Die Grundrechte verpflichten zwar unmittelbar nur den Staat. Sie binden die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht (Art. 1 Abs. 3 GG) Allerdings finden die Wertungen des GG und damit auch die Grundrechte Über Generalklauseln im Zivilrecht, wie z. B. § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wonach Treu und Glauben der Rechtsausübung Schranken setzen, und bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, Eingang in privatrechtliche Rechtsverhältnisse. Sie entfalten auf diese Weise eine "Drittwirkung" im Zivilrecht. Damit strahlen sie auch auf die Rechtsbeziehungen zwischen Privatpersonen aus.
Zur Rechtsordnung unterhalb des Verfassungsrechts zählen alle Rechtsnormen, seien es Gesetze, Verordnungen oder Satzungen. Sie lassen sich in materielles Recht und Verfahrensrecht einteilen. Das materielle Recht regelt den Inhalt der Rechtsordnung. Das Verfahrensrecht regelt das Verfahren, das zur Durchsetzung von Rechten verhilft.
Ferner ist zwischen öffentlichem und privatem Recht zu unterscheiden.
Öffentliches Recht ist die Gesamtheit aller öffentlich-rechtlichen Rechtsnormen, durch die das Verhältnis des Bürgers zum Staat sowie das Verhältnis der Verwaltungsträger untereinander geregelt wird. Zum öffentlichen Recht gehören neben dem Verfassungsrecht (s. o.) das allgemeine und das besondere Verwaltungsrecht. Das allgemeine Verwaltungsrecht enthält Regelungen, die, wie der Begriff des Verwaltungsaktes, für alle Verwaltungsbereiche gelten. Das besondere Verwaltungsrecht umfasst die verschiedenen Zweige des Verwaltungsrechts, wie z. B. das Baurecht, das Polizeirecht, das Kommunal- und das Schulrecht, aber auch z. B. das Strafrecht. Das zur Zuständigkeit der Länder gehörende Schulrecht ist z. B. für die Frage der sonderpädagogischen Förderung behinderter Kinder und Jugendlicher von Bedeutung (vgl. Heft 04 dieser Schriftenreihe).
Im Gegensatz zum Privatrecht kann der Staat im öffentlichen Recht als Inhaber der Staatsgewalt Rechte und Pflichten des Bürgers einseitig hoheitlich (öffentlich-rechtlich) begründen. Das öffentliche Recht zeichnet sich damit vor allem dadurch aus, dass der Staat/der Verwaltungsträger dem Bürger übergeordnet ist, wohingegen Staat und Bürger im Privatrecht - ebenso, wie Bürger untereinander - gleichgeordnet nebeneinander stehen.
Das Verfahrensrecht gehört zum öffentlichen Recht.
Das Privatrecht ist also im Gegensatz zum öffentlichen Recht der Bereich des Rechts, der die Rechtsbeziehungen der Einzelnen zueinander auf der Grundlage der Selbstbestimmung und der Gleichberechtigung regelt. Das Privatrecht kann eingeteilt werden in das für jedermann geltende bürgerliche Recht und in nur für besondere Personengruppen geltende Sonderprivatrechte (z. B. Handelsrecht, Arbeitsrecht, Privatversicherungsrecht, Aktienrecht, Recht des gewerblichen Rechtsschutzes). Vgl. dazu auch unten 4.2.3.
Im Folgenden werden einige Rechtsgebiete, die für diese Schriftenreihe wichtig sind, kurz skizziert.
Für unser Thema spielt das Sozialrecht eine besondere Rolle. Deshalb soll
hier bei der Betrachtung des dem Verfassungsrang nachrangigen Recht an erster
Stelle ein Überblick
über diesen Rechtsbereich stehen.
Das Sozialrecht stellt praktisch die einfachgesetzliche Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 GG) dar.
Ein großer Teil des Sozialrechts ist im Sozialgesetzbuch (SGB)
zusammengefasst worden. Zum Sozialrecht zählen zwar auch Gesetze außerhalb des
SGB, soweit sie der Verwirklichung des
Sozialstaatsprinzips dienen, z. B. die
Landesblindengeldgesetze, aber seit 1976 wurde das Sozialgesetzbuch auf- und
ausgebaut.
Ziel des Sozialgesetzbuches ist es, nach § 1 SGB I zur Verwirklichung
sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit durch Sozialleistungen
beizutragen. Ein menschenwürdiges Dasein soll gesichert werden. Gleiche
Voraussetzungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit sollen geschaffen
werden. Aufgabe ist es, die Familie zu schützen und zu fördern. Der Erwerb des
Lebensunterhalts durch eine frei gewählte Tätigkeit soll ermöglicht werden.
Besondere Belastungen des Lebens sollen, auch durch Hilfe zur Selbsthilfe,
abgewendet oder ausgeglichen werden. Sozialleistungen sind
Dienst-, Geld- und
Sachleistungen (SGB I § 11).
Das Sozialgesetzbuch enthält bisher 12 Bücher. Es sind dies:
Außerdem sind zahlreiche weitere Sozialgesetze gemäß § 68 SGB I zu "besonderen Teilen" des Sozialgesetzbuches erklärt worden. Dazu gehören z.B.: das Bundesausbildungsförderungsgesetz, das Bundesversorgungsgesetz mit den auf dieses Gesetz verweisenden Bestimmungen in anderen Gesetzen, das Bundeskindergeldgesetz, das Wohngeldgesetz, das Gesetz über eine Bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (das als Kapitel 4 mit den §§ 41 bis 46 ab 1. Januar 2005 in das SGB XII aufgenommen wird) und weitere Gesetze.
Ein klarer systematischer Aufbau des Sozialgesetzbuches fehlt. Das SGB X, das im Wesentlichen das Verwaltungsverfahrensrecht regelt, gehört systematisch an den Schluss, also nach dem SGB XII eingeordnet; denn es enthält im wesentlichen Verfahrensrecht, während die übrigen Sozialgesetzbücher das materielle Rechtumfassen. Das Ziel, mit dem Erlass des Sozialgesetzbuches ein übersichtliches, auch dem Laien verständliches Sozialrecht zu schaffen, ist nicht gelungen.
Trotzdem ist die Schaffung des Sozialgesetzbuches zu begrüßen; denn der
Aufbau der einzelnen
Bücher folgt einem einheitlichen Schema.
Inhaltlich gesehen haben wir es beim Sozialrecht mit folgenden vier Gebieten zu tun:
Herstellung der Chancengleichheit, z. B. Ausbildungsförderung, Wohngeld u. ä.
Die Benachteiligungen hilfsbedürftiger Gruppen sollen ausgeglichen werden. Die
Leistungen werden aus Steuern
finanziert.
Das geltende Sozialrecht lässt sich nur verstehen, wenn seine
Entwicklung
betrachtet wird. Die historische Entwicklung des Sozialrechtes hat dazu geführt,
dass sich die verschiedensten und unterschiedlichsten Sozialleistungsträger
herausgebildet
haben. Das hat zu dem gegliederten System unseres Sozialrechts
geführt.
Der vierte Bereich des Sozialrechts, die soziale Fürsorge, reicht am
weitesten zurück. Die älteste Wurzel ist die Armenfürsorge (vgl. z. B.
Bayerische Verordnung das Armenwesen betreffend von 1816, das Preußische
Armenpflegegesetz von 1842, das Bayerische Armengesetz von 1869,
das
Jugendwohlfahrtsgesetz von 1922, die Reichsfürsorgepflichtverordnung von
1924, die
Reichsgrundsätze über die Voraussetzungen, Art und Maß der
öffentlichen Fürsorge von 1924 und
schließlich das Bundessozialhilfegesetz
von 1961). Die weitere Entwicklung hat zum SGB VIII (Jugendhilfe) und zum SGB
XII (Sozialhilfe) geführt.
Das Recht der sozialen Sicherheit, also der Bereich, der bei der
systematischen Einteilung des Sozialrechts als erstes genannt wird, war die
Antwort auf die mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert
eintretenden
sozialen Probleme. Hier sind zu nennen: die Erste Kaiserliche Botschaft zur
sozialen Frage von 1881, das Gesetz betreffend die Krankenversicherung der
Arbeiter von 1883, das Unfallversicherungsgesetz von 1884, das Gesetz betreffend
die Invalidität- und Altersversicherung von 1889, das Versicherungsgesetz für
Angestellte von 1911, die
Reichsversicherungsordnung von 1911, das
Angestelltenversicherungsgesetz von 1924, die
Reichsknappschaftsversicherung
von 1923, die Verordnung über Erwerbslosenfürsorge von 1918, das Gesetz über
Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung von 1927 und
das
Arbeitsförderungsgesetz von 1969. Im Sozialgesetzbuch sind diesem Bereich
zuzuordnen: Das SGB III (Arbeitsförderung), das SGB IV, das SGB V (gesetzliche
Krankenversicherung), das SGB VI
(Rentenversicherung), das SGB VII (soziale
Unfallversicherung) und das SGB XI (soziale Pflegeversicherung.
Als weiterer Bereich hat sich das soziale Entschädigungsrecht
als Folge
der Kriege entwickelt. Hier sind zu nennen:
Die Verordnung über die soziale Kriegsbeschädigten- und
Kriegshinterbliebenenfürsorge von 1919, das Reichsversorgungsgesetz von 1920,
das Personenschädengesetz von 1922, das Bundesversorgungsgesetz von 1950,
das
Schwerbeschädigtengesetz von 1920 und 1953, ab 1974
Schwerbehindertengesetz. Das Schwerbehindertengesetz hat als Teil 2 Eingang in
das SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) gefunden. Im
Übrigen sind Gesetze aus diesem Bereich über § 68 SGB I besondere Teile des
Sozialgesetzbuches geworden.
Der jüngste Zweig des Sozialrechts ist der Bereich der sozialen Förderung. Die Gesetze zur sozialen Förderung waren die Antwort auf neue gesellschaftliche Herausforderungen. Als Beispiele seien genannt: das Kindergeldgesetz von 1954, das Wohngeldgesetz von 1974 und das Bundesausbildungsförderungsgesetz von 1971. Auch das Blindengeldrecht gehört hierher. Benachteiligungen sollen ausgeglichen und Chancengleichheit soll gewährleistet werden.
Die Rehabilitation stellt einen wesentlichen Teilbereich des Sozialrechtes dar (§§ 3 - 10 SGB I). Nach einem herkömmlichen Phasenmodell werden unterschieden: medizinische, beruflich/schulische und soziale Rehabilitation.
Im gegliederten System können je nach Ursache der Behinderung
für diese
Leistungen die unterschiedlichsten Körperschaften, und Behörden zuständig
sein
(§§ 12, 18 - 29 SGB I).
Schon vor Schaffung des Sozialgesetzbuches wurde auf dem Gebiet der Rehabilitation eine Harmonisierung durch das Rehabilitationsangleichungsgesetz vom 07.08.1974 versucht. An seine Stelle ist das SGB IX getreten.
Das SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen ist
für ihre
Rechtsposition von großer Bedeutung. Das SGB IX vom 19.06.2001 (BGBl. I S. 1046)
hat zwei Teile.
Teil 1:
Regelungen für Behinderte und von Behinderung bedrohte
Menschen mit acht
Kapiteln (§§ 1 - 67) und
Teil 2:
Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen
(Schwerbehindertenrecht) mit 14 Kapiteln (§§ 68 -
160).
Teil 1 ersetzt im Wesentlichen das frühere Rehabilitationsangleichungsgesetz
und Teil 2 das bisherige Schwerbehindertengesetz (beide aufgehoben durch Art. 63
des Gesetzes
zur Einführung des SGB IX vom 19.06.2001 mit Wirkung zum
01.07.2001). Im Einzelnen wird auf die hier angesprochenen Gesetze im Rahmen der
einschlägigen Hefte dieser Schriftenreihe
eingegangen.
Steuereinnahmen stellen die Basis der Finanzkraft der öffentlichen Haushalte dar. Sie sind die wichtigsten staatlichen Einnahmeposten.
Für den Steuerbegriff findet sich in §?3 Abs.?1 AO eine Legaldefinition: Danach sind Steuern Geldleistungen, die keine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft.
Das Steuerrecht dient zwar in erster Linie dazu, dem Staat und den sonst zur Erhebung von Steuern berechtigten öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Mittel zu beschaffen. Daneben können Steuern auch sonstigen Zielen, wie z. B. der Umsetzung wirtschafts-, sozial- oder ordnungspolitischer Vorstellungen dienen.
Durch Steuererleichterungen wird dafür gesorgt, dass die Belastungen der Steuerpflichtigen möglichst gerecht erfolgen. Es findet also ein sozialer Ausgleich statt. Das zeigt, dass auch außerhalb des Sozialrechts im engeren Sinn in einem Sozialstaat für sozialen Ausgleich gesorgt werden muss. Näher wird darauf in Heft 07 eingegangen.
Das Privatrecht ist der Bereich des Rechts, der die Rechtsbeziehungen der Einzelnen zueinander auf der Grundlage der Selbstbestimmung und der Gleichberechtigung regelt. Gegenbegriff zum Privatrecht ist das öffentliche Recht (vgl. auch oben 4.2).
Das Privatrecht kann eingeteilt werden in das für jedermann geltende bürgerliche Recht und in nur für besondere Personengruppen geltende Sonderprivatrechte (z. B. Handelsrecht, Arbeitsrecht, Privatversicherungsrecht, Aktienrecht, Recht des gewerblichen Rechtsschutzes).
Für die Rechtssituation blinder und sehbehinderter Menschen spielt vor allem das bürgerliche Recht eine große Rolle (vgl. Heft 09). Das bürgerliche Recht ist hauptsächlich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Es trat am 1. Januar 1900 in Kraft. Das BGB umfasst 5 Bücher: erstes Buch: allgemeiner Teil, zweites Buch Recht der Schuldverhältnisse, drittes Buch Sachenrecht, viertes Buch Familienrecht und fünftes Buch Erbrecht.
Fragen, die im Zusammenhang mit Blindheit und Sehbehinderung von Bedeutung sind, und auf die in Heft 09 näher eingegangen wird, sind: Gültigkeit einer Unterschrift; Anfechtbarkeit von Willenserklärungen; Blindengeld im Unterhaltsrecht; Betreuungsrecht; Besonderheiten bei der Errichtung einer letztwilligen Verfügung.
Rechtsansprüche, die das materielle Recht gibt, müssen durchgesetzt werden können. Dem dient das Verfahrensrecht. Verfassungsrechtlich ist es in den Art. 19 Abs. 4, 101 und 103 GG verankert.
Zu unterscheiden sind die Zivilgerichtsbarkeit, die Arbeitsgerichtsbarkeit, die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit, die Sozial- und Steuergerichtsbarkeit als spezielle Gerichtszweige für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten und die Verfassungsgerichtsbarkeit.
Das Verfahren ist in den jeweiligen Prozess- bzw. Gerichtsordnungen geregelt. Es sind dies für die Zivilgerichte die Zivilprozessordnung (ZPO), für die Arbeitsgerichte das Arbeitsgerichtsgesetz (AGG), für die Verwaltungsgerichte die Verwaltungsgerichtsordnung (VWGO), für die Sozialgerichte das Sozialgerichtsgesetz (SGG), für die Finanzgerichte das Finanzgerichtsgesetz (FGG) und für das Bundesverfassungsgericht das Verfassungsgerichtsgesetz (VFGG). In diesen Gesetzen ist jeweils geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein Recht im Klageweg geltend gemacht werden kann, wann gegen ein erstinstanzliches Urteil ein Berufungsgericht angerufen werden kann und unter welchen Voraussetzungen eine rechtliche Überprüfung durch das jeweils zuständige Bundesgericht im Wege der Revision möglich ist.
Vor dem Verfassungsgericht kann nach Erschöpfung des Rechtsweges vor den übrigen Gerichten im Wege der Verfassungsbeschwerde eine verfassungsrechtliche Überprüfung angestrebt werden.