von
Dr. Herbert Demmel und Karl Thomas Drerup
Stand: April 2006
Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V (DVBS)
Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e.V.
Mit freundlicher Unterstützung von NOVARTIS ophthalmics
Um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken, erhalten Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen Leistungen nach dem SGB IX und den für die Rehabilitationsträger geltenden speziellen Leistungsgesetzen (§ 1 SGB IX). Damit sind das Ziel und die Förderung der Rehabilitation benannt. Herkömmlicherweise werden Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation (Teil 1 Kapitel 4 SGB IX), zur beruflichen Rehabilitation (Teil 1 Kapitel 5 SGB IX - Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) und der sozialen Rehabilitation (Teil 1 Kapitel 7 - Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft) unterschieden. Der Gesetzgeber hat weitgehend den seit vielen Jahrzehnten gebräuchlichen Begriff "Rehabilitation" in vielen Vorschriften und den der "Eingliederung Behinderter" (§ 10 SGB I) vollständig durch den wenig präzisen Sammelbegriff "Teilhabe" ersetzt. Das ändert nichts daran, dass es sich um Rehabilitation handelt.
In diesem Heft werden die medizinische und die soziale Rehabilitation behandelt. Sie dienen der Elementarrehabilitation für blinde und sehbehinderte Menschen. Einen Schwerpunkt stellt bei diesen Maßnahmen die Ausstattung mit Hilfsmitteln dar. Ein zweiter Schwerpunkt ist die Vermittlung lebenspraktischer Fähigkeiten.
Soweit es um die Bereiche Frühförderung, Schule und Beruf und die Ausstattung mit Hilfsmitteln zum Schulbesuch, zur Berufsausbildung und zur beruflichen Eingliederung geht, wird darauf in den Heften 04 "Frühförderung und Schule" und Heft 5 "Teilhabe am Berufsleben" eingegangen.
Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation enthalten auch das Beihilferecht und das Recht der privaten Krankenkassen.
Für eine ausreichende Elementarrehabilitation müssen die Bestandteile der medizinischen Rehabilitation durch Maßnahmen zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ergänzt werden.
Alle blinden und sehbehinderten Menschen, auch diejenigen, die beruflich nicht eingegliedert werden können, haben ein Anrecht auf eine Rehabilitation, die ihnen ein möglichst unabhängiges und selbstbestimmtes Leben ermöglicht. Dieser Anspruch richtet sich auf eine "Elementarrehabilitation". Die elementarrehabilitation ist die Voraussetzung dafür, dass sich entsprechend dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 und 28 GG) eine der Menschenwürde entsprechende Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft verwirklichen lässt. Die Maßnahmen der Elementarrehabilitation sind überdies geeignet, einer sonst drohenden Pflegebedürftigkeit entgegenzuwirken. Sie ist ein zielgerichtteter Prozess.
Die Elementarrehabilitation Blinder und Sehbehinderter muss vom Betroffenen und seiner Situation, vom Erleben der Erblindung oder Sehbehinderung und von den Auswirkungen dieser Behinderungen ausgehen und die individuellen Bedürfnisse berücksichtigen.
Die Erblindung bzw. der Eintritt der Sehbehinderung sind häufig mit einer außergewöhnlichen psychischen Belastung verbunden. Nicht nur der Verlust der optischen Wahrnehmung führt zu einem Mangelerlebnis. Betroffene empfinden vor allem die dadurch eintretende Hilflosigkeit und das Angewiesensein auf die Hilfe ihrer Mitmenschen, den Verlust der Orientierungs- und Informationsmöglichkeit und die daraus resultierende Mobilitätseinschränkung als besonders bedrückend. Auch die zwischenmenschliche Kommunikation / Interaktion wird durch den Wegfall des Blickkontaktes wesentlich erschwert. Der Verlust eines Arbeitsplatzes oder der sonstigen beruflichen Tätigkeit sowie der Stellung in der Familie kann zur Existenzangst führen. Die Verrichtungen des täglichen Lebens, sei es im Bereich der Körperpflege und Hygiene, des Ankleidens und der Kleiderpflege, der Nahrungszubereitung und Nahrungsaufnahme oder der sonstigen hauswirtschaftlichen Versorgung, können nicht mehr oder nicht mehr uneingeschränkt unter optischer Kontrolle vorgenommen werden. Blinde benötigen zum Schreiben und Lesen ein eigenes, auf den Tastsinn ausgerichtetes, Schriftsystem. Die schriftliche Kommunikation mit Sehenden ist erschwert. Weil die optische Wahrnehmung die größte Reichweite hat und die schnellste Information erlaubt, kann Blindheit oder Sehbehinderung auch als "Behinderung in der Wahrnehmung" oder als Informationsbehinderung charakterisiert werden.
Die Maßnahmen der Elementarrehabilitation müssen psychisch stabilisieren, damit die Behinderung seelisch verarbeitet und angenommen werden kann. Die optische Wahrnehmung muss in einer "visuell, höchstens audiovisuell" ausgerichteten hoch entwickelten Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft durch die Wahrnehmung über andere, weniger weit reichende und hoch auflösende Sinne ersetzt werden, wobei bei diesem "Sinnesvikariat" die Wahrnehmungsfähigkeit und Reichweite der unterschiedlichen Sinne beachtet werden muss. Die Leistungsfähigkeit oder Reichweite lässt sich durch Training und den Einsatz von Hilfsmitteln erhöhen. Zur Veranschaulichung sei auf die Schulung des Gehörs und des Tastsinns sowie die Verwendung eines Taststockes (Vergrößerung der Reichweite des Tastsinnes) zur Steigerung der Mobilität hingewiesen.
Als Maßnahmen der Elementarrehabilitation kommen in Betracht:
Die Beschreibung der Maßnahmen der Elementarrehabilitation hat gezeigt, dass es sich um einen komplexen, aber modular aufgebauten Bereich handelt. Außerdem geht es nicht um ein Minimum, sondern um die Vermittlung von Schlüsselfertigkeiten, die für blinde und sehbehinderte Menschen von existentieller Bedeutung sein können.
Dieser Katalog ist nur beispielhaft und nicht abschließend zu verstehen.
Das dem Sozialrecht zu grunde liegende gegliederte System macht es erforderlich, die einzelnen Maßnahmen den Bereichen der medizinischen Rehabilitation bzw. der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (soziale Rehabilitation) zuzuordnen.
Die Rehabilitation kann aber nicht nur nach dem dem Sozialrecht zugrunde liegenden Phasenmodell mit den Bereichen medizinische, schulisch/berufliche und soziale Rehabilitation betrachtet werden. Sie lässt sich auch nach ihren Schichten einteilen. Die Elementarrehabilitation legt auch die Grundlage für eine weiterführende Rehabilitation, z. B. die berufliche Rehabilitation.
Die Rechtsgrundlagen für die medizinische Rehabilitation finden sich im vierten Kapitel des SGB IX. Einen Überblick über den Aufbau des SGB IX enthält Heft 01 4.2.1 S. 12.
Nach § 26 Abs. 1 werden zur medizinischen Rehabilitation behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen die erforderlichen Leistungen erbracht, um
Nach Abs. 2 umfassen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation insbesondere
Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Das ergibt sich aus der Verwendung des Wortes "insbesondere".
Gemäß Abs. 3 sind Bestandteil der Leistungen nach Absatz 1 auch medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen, soweit diese Leistungen im Einzelfall erforderlich sind, um die in Absatz 1 genannten Ziele zu erreichen oder zu sichern und Krankheitsfolgen zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten, insbesondere
Auch diese Aufzählung ist nicht abschließend. Zu den Hilfen gehören z.B. Hilfen zur Bewältigung psychosozialer Problemlagen, wie sie als Folgen einer Erblindung oder Ertaubung typisch sind (BT-Drucks. 14/5074, Abschn. B, S. 106 zu § 26).
Für die Elementarrehabilitation blinder und sehbehinderter Menschen sind die hier aufgeführten Maßnahmen von grundlegender Bedeutung. Das gilt insbesondere für die Ausstattung mit Hilfsmitteln (Abs. 2 Nr. 6), Hilfen zur Unterstützung bei der Krankheits- und Behinderungsverarbeitung, (Abs. 3 Nr. 1), Aktivierung von Selbsthilfepotentialen(Abs. 3 Nr. 2), Information und Beratung von Partnern und Angehörigen (Abs. 3 Nr. 3), Vermittlung von Kontakten zu örtlichen Selbsthilfe- und Beratungsmöglichkeiten (Abs. 3 Nr. 4), Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz, unter anderem durch Training sozialer und kommunikativer Fähigkeiten und im Umgang mit Krisensituationen (Abs. 3 Nr. 5) und das Training lebenspraktischer Fähigkeiten (Abs. 3 Nr. 6).
Die Ausstattung mit Hilfsmitteln wird in § 31 SGB IX näher geregelt.
Aus den §§ 26 ff des SGB IX können aber Ansprüche auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nur in soweit unmittelbar abgeleitet werden, als sich aus den für die einzelnen Rehabilitationsträger geltenden Spezialgesetzen nichts anderes ergibt (§ 7 SGB IX). Es muss also stets das entsprechende Spezialgesetz daraufhin überprüft werden.
Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sind (§ 4 SGB IX Gruppe 4) zielgerichtet darauf, behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen oder zu sichern oder sie so weitgehend wie möglich unabhängig von Pflege zu machen; sie greifen nur ein, wenn entsprechende Leistungen auf Grund der drei anderen in § 4 genannten Gruppen nicht erbracht werden (§ 55 Abs. 1 SGB IX).
Die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sind dem siebten Kapitel des SGB IX (§§ 55 ff) zu entnehmen. Der - nicht erschöpfende - Leistungskatalog sieht u. a. vor
Für diese Leistungen hat sich der Begriff der "sozialen Rehabilitation" eingebürgert.
Ob und welche Leistungen im einzelnen Fall zustehen, richtet sich auch hier gemäß § 7 SGB IX nach den im Bereich des jeweiligen RehaTrägers geltenden Vorschriften.
Wer Rehabilitationsträger sein kann, ist § 6 SGB IX zu entnehmen. Aus § 5 SGB IX ergibt sich, für welche Bereiche die jeweiligen Rehabilitationsträger zuständig sind.
Nach SGB IX § 6 in Verbindung mit SGB IX § 5 können Rehabilitationsträger sein:
Im Folgenden werden die Rechtsgrundlagen in den Spezialgesetzen behandelt. Um den richtigen Rehabilitationsträger zu ermitteln, muss die Rankordnung zwischen den für sie maßgebenden Gesetzen berücksichtigt werden.
Maßgebend ist die Ursache der Erblindung oder Sehbehinderung.
Für die meisten blinden und sehbehinderten sind für Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation die Rechtsgrundlagen im SGB V (gesetzliche Krankenversicherung) einschlägig. Der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen liegt ein dreistufiges System zu Grunde (vgl. 3.2.1.1).
Das dreistufige Leistungssystem der gesetzlichen Krankenkassen lässt sich mit den Schlagworten: Prävention, Krankenbehandlung und Rehabilitation umreißen.
Krankheitsverhütung und Vorsorge (Prävention § 11 Abs. 1 Nr. 2 und 3) haben Vorrang vor Leistungen zur Krankenbehandlung und Rehabilitation (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 S. 1).
Sowohl bei der Vorsorge als auch bei der Rehabilitation besteht im SGB V ein nahezu identisches dreistufiges Leistungsschema. Dieses ergibt sich aus § 23 Abs. 1, 2 und 4 für die Vorsorge und § 40 Abs. 1 und 2 für die Rehabilitation.
Erste Stufe: ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, wenn diese notwendig sind,
zweite Stufe: ambulante Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten, wenn die ärztliche Behandlung der ersten Stufe nicht ausreicht (§ 23 Abs. 2).
Dritte Stufe: Stationäre Maßnahmen in einer Vorsorgeeinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 besteht, wenn auch ambulante Vorsorgemaßnahmen nach der zweiten Stufe nicht ausreichen (§ 23 Abs. 4).
Erste Stufe: Ambulante Krankenbehandlung, wenn diese ausreicht, die in § 11 Abs. 2 genannten Ziele, eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern.
Zweite Stufe: ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, mit welchen ein Versorgungsvertrag nach § 111 besteht, oder, soweit dies für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit medizinischen Leistungen ambulanter Rehabilitation erforderlich ist, in wohnortnahen Einrichtungen (§ 40 Abs. 1).
Dritte Stufe: stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 besteht, wenn Maßnahmen nach der ersten und zweiten Stufe nicht ausreichen.
Vorsorge, Krankenbehandlung und Rehabilitation sind trotz der unterschiedlichen Zielsetzung eng miteinander verzahnt. Auszugehen ist bei den Vorsorgeleistungen von der ärztlichen Behandlung, bei der Rehabilitation von der Krankenbehandlung. Die Krankenbehandlung hat das Ziel, Krankheiten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (§ 27 Abs. 1 S. 1).
Was zur Krankenbehandlung gehört, zählt § 27 Abs. 1 SGB V auf:
Die Verzahnung der Krankenbehandlung mit der Rehabilitation zeigt sich daran, dass sie trotz unterschiedlicher Zielsetzung in § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 bei der Krankenbehandlung ausdrücklich erwähnt ist. Ihr Ziel ist nach §. 11 Abs. 2 SGB V eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern.
Nach § 23 Abs. 2 Satz 1 SGB V können ambulante Vorsorgeleistungen in "anerkannten Kurorten" erbracht werden.
Die ambulanten Rehabilitationsmaßnahmen (zweite Stufe) sollen nach § 40 Abs. 1 SGB V zwar auch in Rehabilitationseinrichtungen, mit welchen ein Versorgungsvertrag nach § 111 besteht (vgl. unten Anmerkungen zur dritten Stufe), durchgeführt werden. Das hat den Sinn, dass jederzeit bei Bedarf von einer ambulanten Maßnahme auf eine stationäre Maßnahme übergeleitet werden kann. Die Maßnahmen können aber auch in wohnortnahen Einrichtungen, die nicht auf die Durchführung stationärer Maßnahmen eingerichtet sind, und mit welchen deshalb kein Vertrag nach § 111 SGB V abgeschlossen werden muss, durchgeführt werden (vgl. Schmidt in Peters Kommentar zum SGB V RNr118 und 119 zu § 40). Aber auch diese "wohnortnahen Rehabilitationseinrichtungen" müssen zugelassen sein. Anders als für Einrichtungen zur Durchführung stationärer Vorsorge- und Rehamaßnahmen enthält das SGB V keine Bestimmung darüber, auf welche Weise diese Zulassung erfolgen soll. Die Zulassung erfolgt nach der Rechtsprechung des BSG in Analogie zur Zulassung von Heil- und Hilfsmittelerbringern (§ 124 SGB V) durch Verwaltungsakt. Die Einrichtungen müssen die personellen und fachlichen Voraussetzungen des § 107 Abs. 2 Nr. 2 SGB V erfüllen. Das bedeutet, sie müssen fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal darauf eingerichtet sein, den Gesundheitszustand der Patienten nach einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie, ferner durch andere geeignete Hilfen, auch durch geistige und seelische Einwirkungen, zu verbessern und den Patienten bei der Entwicklung eigener Abwehr- und Heilungskräfte zu helfen, also eine leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten sicherstellen (vgl. BSG Urteil vom 5.7.2000 - B 3 KR 12/99 R = SozR 3-2500 § 40 Nr.3).
Nach § 111 Abs. 1 SGB V dürfen Die Krankenkassen medizinische Leistungen zur Vorsorge (§ 23 Abs. 4) oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation einschließlich der Anschlussheilbehandlung (§ 40), die eine stationäre Behandlung, aber keine Krankenhausbehandlung erfordern, also Maßnahmen der Stufe drei, nur in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen erbringen lassen, mit denen ein Versorgungsvertrag nach Absatz 2 besteht.
Die Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen müssen die Anforderungen des § 107 Abs. 2 SGB V erfüllen. D. h. Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen im Sinne dieser Bestimmung sind Einrichtungen, die
Für die Konkurrenz zwischen den Leistungsträgern ist noch zu beachten: Für stationäre Behandlungen in einer Rehaeinrichtung sind Krankenkassen nach § 40 Abs. 4 SGB V gegenüber anderen Leistungsträgern, insbes. der RV, nur nachrangig (subsidiär) zuständig. Bei den anderen Leistungsträgern müssen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen wie Erfüllung von Wartezeiten erfüllt sein. Bestehen Leistungspflichten aus beiden Versicherungszweigen, also der KV und der RV, lässt sich für die Zuständigkeiten folgende Faustregel aufstellen:
Vorrangig leistungspflichtig sind
Für Leistungen zur Krankheitsverhütung und Vorsorgeleistungen jeder Art und Stufe der §§ 20-24 SGB V liegt im Verhältnis zur Rentenversicherung die ausschließliche Zuständigkeit bei den Krankenkassen.
Als Rechtsgrundlagen müssen hier § 31 SGB IX als die generelle Norm und § 33 SGB V als die für die gesetzliche Krankenversicherung maßgebende Spezialnorm betrachtet werden. Gerade bei der Ausstattung mit Hilfsmitteln zeigt sich der enge Zusammenhang zwischen Krankenbehandlung und Rehabilitation. § 31 SGB IX befindet sich im 4. Kapitel des ersten Teiles mit der Überschrift "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation". Die Ausstattung mit Hilfsmitteln ist nach § 26 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX eine Leistung zur Rehabilitation, nach § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB V eine Leistung der Krankenbehandlung. Die Zielsetzung sowohl in § 31 SGB IX als auch in § 33 Abs. 1 SGB V zeigt, dass es sich um eine Rehabilitationsleistung handelt.
§ 31 Abs. 1 SGB IX lautet: "(1) Hilfsmittel (Körperersatzstücke sowie orthopädische und andere Hilfsmittel) nach § 26 Abs. 2 Nr. 6 umfassen die Hilfen, die von den Leistungsempfängern getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erforderlich sind, um 1. einer drohenden Behinderung vorzubeugen, 2. den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern oder 3. eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind.".
§ 33 Abs. 1 S. 1 SGB V, der wegen des Vorranges der Spezialgesetze nach § 7 SGB IX im Krankenversicherungsrecht Vorrang hat, lautet: "Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind."
Sowohl § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX als auch § 33 Abs. 1 S. 1 schließen die
Leistungspflicht der Krankenkassen für Hilfsmittel aus, soweit sie allgemeine
Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind. Der Gesetzgeber hat damit die
Entwicklung in der Rechtsprechung aufgegriffen und umgesetzt.
Bei der Beurteilung, was Hilfsmittel im medizinischen Sinn und was
allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens ist, hat sich in jüngerer
Zeit ein grundlegender Wandel in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
vollzogen.
Zur Auslegung des Begriffs "allgemeiner Gebrauchsgegenstand des
täglichen Lebens" hatte das Bundessozialgericht ursprünglich Kriterien
entwickelt, die auf qualitativen und quantitativen Gesichtspunkten beruhten.
Maßgebend sollte sein, inwieweit ein Gegenstand in den Haushalten verbreitet ist
(z. B. Verwendung in mehr als 12 % aller Haushalte)und ob der Preis von 1.000,00
DM (nunmehr rund 500,00 Euro) überschritten wurde. Daneben kam es auf die
Zweckbestimmung des Hilfsmittels an. Das BSG hat seine Auffassung mit Urteil vom
16.09.1999 - B 3 RK 1/99 R = SozR 3-2500 § 33 Nr. 33 aufgegeben. Es kommt nach
dieser Entscheidung nicht mehr auf die quantitativen Merkmale (Verbreitung und
Preis), sondern nur noch auf die qualitativen Gesichtspunkte an, d. h. allein
darauf, für welchen Zweck und für welchen Personenkreis das Gerät entwickelt
wurde.
Konkret ging es in diesem Fall um einen Luftreiniger, den ein Allergiker von seiner Krankenkasse begehrte.
In dem Urteil heißt es:
"Nach erneuter Sachprüfung hält der Senat nicht daran fest, die Eigenschaft "allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens" für einen bestimmten Prozentsatz der Verbreitung innerhalb der privaten Haushalte der gesamten Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland oder an der Nichtüberschreitung eines bestimmten Verkaufspreises durch die Mehrheit der Hersteller zu messen. Im Hinblick auf die Aufgabe der Krankenversicherung, allein die medizinische Rehabilitation sicherzustellen, sind nur solche Gegenstände als Hilfsmittel zu gewähren, die spezifisch der Bekämpfung einer Krankheit oder dem Ausgleich einer Behinderung dienen. Was daher regelmäßig auch von Gesunden benutzt wird, fällt auch bei hohen Kosten nicht in die Leistungspflicht der Krankenversicherung. Der ausdrückliche gesetzliche Ausschluss der allgemeinen Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens stellt dies nur klar (...). Zur Ermittlung des Vorliegens der Eigenschaft eines Hilfsmittels der Krankenversicherung ist deshalb allein auf die Zweckbestimmung des Gegenstandes abzustellen, die einerseits aus der Sicht der Hersteller, andererseits aus der Sicht der tatsächlichen Benutzer zu bestimmen ist: Geräte, die für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt sowie hergestellt worden sind und die ausschließlich oder ganz überwiegend auch von diesem Personenkreis benutzt werden, sind nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen. Das gilt selbst dann, wenn sie millionenfach verbreitet sind (z. B. Brillen, Hörgeräte). Umgekehrt ist ein Gegenstand auch trotz geringer Verbreitung in der Bevölkerung und trotz hohen Verkaufspreises als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens einzustufen, wenn er schon von der Konzeption her nicht vorwiegend für Kranke und Behinderte gedacht ist".
Die Eigenschaft als Hilfsmittel wurde wegen der Einstufung als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens vom BSG deshalb verneint für einen Personalcomputer bzw. für ein Notebook (Vgl. Urteil vom 30. Januar 2001 Az: B 3 KR 10/00 R und vom 23. August 1995 - 3 RK 7/95 = SozR 3-2500 § 33 Nr. 16). Danach ist ein PC in handelsüblicher Ausstattung (Rechner - einschließlich Betriebssystem, Disketten - und CD-ROM-Laufwerk -, Monitor, Tastatur, Maus und Drucker) ein solcher Gebrauchsgegenstand.
Damit die Leistungspflicht der Krankenkasse für ein Hilfsmittel anerkannt wird, muss es, so weit nicht unmittelbar eine Körperfunktion, wie z. B. das Sehen, ausgeglichen wird, der Befriedigung eines Grundbedürfnisses dienen. Zu diesen Grundbedürfnissen zählen die körperlichen Grundfunktionen (Gehen, Stehen, Treppen steigen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung) sowie die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen und die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, der auch die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung und das Erlernen von Schulwissen bzw. die Herstellung der Schulfähigkeit (durch Ausstattung mit einem Hilfsmittel) im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht umfasst (vgl. Urteil des BSG vom 22. Juli 2004 - B 3 KR 13/03 R -); nicht zu den Grundbedürfnissen in diesem Sinne gehört nach diesem Urteil jedoch die über die elementare Schulausbildung hinausgehende Ausbildung zur Ausübung qualifizierter Berufe und die Herstellung der Studierfähigkeit durch den über die Schulpflicht hinausgehenden Besuch einer weiterführenden Schule (vgl. auch Urteil des BSG vom 30.01.2001 - B 3 KR 10/00 R - SozR 3-2500 § 33 Nr. 40). In diesem Urteil hat das BSG Die Ausstattung eines Behinderten mit einem Notebook einschließlich behindertengerechter Software für Studienzwecke abgelehnt, weil sie nicht der Befriedigung eines Grundbedürfnisses diene. Zu bemerken ist, dass der blinde Student von der Krankenkasse mit einem Lese-Sprechgerät ausgestattet worden war und das beantragte Hilfsmittel alleine für Studienzwecke benötigt hätte. In solchen Fällen kommt aber, worauf das BSG hinweist, die Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers im Rahmen der Eingliederungshilfe in Frage (vgl. Heft 04 der Schriftenreihe). In dem Urteil des BSG vom 22. Juli 2004 - B 3 KR 13/03 R - kommt eine einschränkende Tendenz des BSG bei der Bestimmung der Grenzen des "geistigen Freiraums" zum Vorschein. Diese Entwicklung ist bedenklich. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit wird für behinderte Menschen eingeschränkt. Zur Kritik dieser Entscheidung vgl. auch unten.
Nach § 34 Abs. 2 SGB V können vom Bundesminister für Gesundheit mit
Zustimmung des Bundesrates Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem
therapeutischem Nutzen oder geringem Abgabepreis ausgeschlossen werden. Das
trifft für die hier aufgeführten Hilfsmittel nicht zu.
Nach § 128 SGB V erstellen die Spitzenverbände der Krankenkassen gemeinsam ein Hilfsmittelverzeichnis, in welchem die von der Leistungspflicht der Krankenkassen umfassten Hilfsmittel aufgeführt sind. Näheres über das Hilfsmittelverzeichnis ist § 139 SGB V zu entnehmen. Dieser befindet sich im 9. Abschnitt des vierten Kapitels (Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern), welcher der Sicherung der Qualität der Leistungserbringung dient. Aufgabe des Hilfsmittelverzeichnisses ist somit die Qualitätssicherung. Das Hilfsmittelverzeichnis, das laufend ergänzt wird, hat den Stand vom 30 Juli 2004. Es ist im Bundesanzeiger Nr. 165 vom 2. 9. 2004 veröffentlicht. Die Hilfsmittel (Produkte) sind entsprechend ihrem Einsatzbereich in 34 Produktgruppen eingeteilt. Es können nur die Produkte in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen werden, für die der Antragsteller den therapeutischen Nutzen, die Funktionstauglichkeit und die Qualität nachgewiesen hat. Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben dementsprechend in den einzelnen Produktgruppen bzw. Produktuntergruppen des Hilfsmittelverzeichnisses Standards formuliert, deren Einhaltung der Hersteller oder sein Bevollmächtigter in geeigneter Form nachzuweisen hat. Das Hilfsmittelverzeichnis ist eine geeignete Orientierungshilfe für Leistungsträger, Leistungserbringer und Versicherte. in dem Verzeichnis wird im Einzelnen aufgeführt, welche Arten von Produkten (Hilfsmitteln) bei bestimmten Indikationen verordnet werden können. Außerdem enthält das Verzeichnis medizinisch-technische Mindestanforderungen (Qualitätsstandards). Somit soll eine qualitativ hochwertige Versorgung der Versicherten gewährleistet werden.
Zum besseren Verständnis des Aufbaus der Produktgruppen geben wir folgende Hinweise:
In einer Produktgruppe werden die Produkte, die in ihrer Funktion gleichartig sind, nach Anwendungsorten sortiert und Produktuntergruppen zugeordnet. Im Rahmen der weiteren Differenzierung werden Produktarten gebildet, in denen vor allem die Zweckbestimmung, die Art, die Materialien, die Wirkungsweise und die Indikationen beschrieben werden. In der Einzelproduktübersicht werden die 10-stelligen Positions- und Abrechnungsnummern, die Produkt- bzw. Leistungsbezeichnungen, die Hersteller/Vertreiber und die Konstruktionsmerkmale/-hinweise angegeben.
Das Hilfsmittelverzeichnis enthält bisher folgende Produktgruppen:
Die Produktgruppe 07 (Hilfsmittel für Blinde) wurde im Bundesanzeiger Nr. 28a vom 11.02.1997 veröffentlicht. In dieser Produktgruppe werden als Hilfsmittel für Blinde genannt: Blindenlangstöcke, elektronische Blindenleitgeräte, Geräte zur elektronischen Schriftumwandlung (geschlossene Lese-Sprech-Geräte) und behinderungsgerechtes Zubehör für Geräte zur Schriftumwandlung (Scanner, Software zur Schrifterkennung und Sprachausgabe für offene Lese-Sprechsysteme).
Hilfsmittel für Blinde und Sehbehinderte finden sich aber auch in anderen Produktgruppen des Hilfsmittelverzeichnisses Z. B.: weiße Handstützstöcke in der Produktgruppe 10 (Gehhilfen), Signalempfänger mit mechanischer Ausgabe für Taubblinde in der Produktgruppe 16 (Kommunikationshilfen), Messgeräte für Körperzustände und Körperfunktionen mit Sprachausgabe für Blinde (Fieberthermometer und Blutdruckmessgeräte mit Sprachausgabe) in Produktgruppe 21, Bildschirmlesegeräte und andere Sehhilfen in der Produktgruppe 25 (Sehhilfen) und Blindenführhunde in der Produktgruppe 99 (Verschiedenes).
In die Produktgruppe 24 (Prothesen) sollen als eine Untergruppe Augenprothesen aufgenommen werden. Daran wird derzeit gearbeitet.
Immer wieder wurde in Rechtsstreitigkeiten von Seiten der Krankenkassen geltend gemacht, dass das begehrte Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis nicht enthalten sei und deshalb keine Leistungspflicht bestehe. Das trifft nicht zu.
So waren bei der Entscheidung des Bundessozialgerichts über die Lese-Sprech-Geräte vom 23.08.1995 und über das Farberkennungsgerät vom 17.01.1996 diese Gegenstände noch nicht im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt. Das BSG hat in diesen Entscheidungen (Urteile zum Lese-Sprech-Gerät vom 23.08.1995 - 3 RK 7/95 = SozR 3-2500 § 33 Nr. 16 - sowie Entscheidung zum Farberkennungsgerät vom 17.01.1996 - 3 RK 38/94 = SozR 3-2500 § 33 Nr. 18) ausgeführt: "Ein Ausschluss der Lese-Sprech-Geräte (bzw. des Farberkennungsgerätes) aus der Leistungspflicht der Krankenkassen ergibt sich auch nicht aus den Vorschriften zum Hilfsmittelverzeichnis. Diese ermächtigen nicht dazu, den Anspruch des Versicherten einzuschränken, sondern nur dazu, eine für die Gerichte unverbindliche Auslegungshilfe zu schaffen."
Neben dem Hilfsmittelverzeichnis bestehen aber auch Hilfsmittelrichtlinien. Damit ist das Verhältnis zwischen dem Hilfsmittelverzeichnis und den Hilfsmittelrichtlinien angesprochen.
Anders als das Hilfsmittelverzeichnis sind die Richtlinien der Bundesausschüsse der Ärzte und der Krankenkassen nach § 92 SGB V. verbindlich. Den Bundesausschüssen gehören nicht nur Vertreter der Krankenkassen, sondern auch der Bundesärztevereinigung und unabhängige Mitglieder an (§ 91 SGB V).
Die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Hilfsmitteln in der kassenärztlichen und vertragsärztlichen Versorgung (HilfsmittelRL) in der Fassung vom 17. Juni 1992 (veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 183b vom 29. September 1992), zuletzt geändert am 16. Oktober 2000, in Kraft getreten am 1. April 2001 haben ihre Rechtsgrundlage in § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V.
Die Hilfsmittelrichtlinien befassen sich vor allem mit den diagnostischen Voraussetzungen und den bei der Verordnung eines Hilfsmittels zu beachtenden Grundsätzen. Nach Nr. II 3 der Hilfsmittelrichtlinien dürfen von den Ärzten nur die im Hilfsmittelverzeichnis enthaltenen Hilfsmittel verordnet werden. Das ändert aber nichts daran, dass es für den Anspruch auf ein Hilfsmittel nicht darauf ankommt, ob es bereits in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen worden ist; denn der Anspruch des Versicherten auf die erforderliche Krankenbehandlung (§ 27 SGB V) kann dadurch nicht beschränkt werden (vgl. Urteil des 8 Senats des BSG vom 29. 9. 1997 - 8 RKN 27/96 = Sozr 3-2500 § 33 Nr. 25) Diese Auffassung des BSG ist schon deshalb zu begrüßen, weil sonst die Krankenkassen eigenmächtig ihre Leistungspflicht bestimmen bzw. begrenzen könnten. Das wäre ein Rechtssetzungsakt, für den es an einer Ermächtigung fehlt. Demgegenüber wird die Ermächtigung zum Erlass von Richtlinien in § 92 SGB V als ausreichend betrachtet.
Für die Praxis ergibt sich aus dem Verhältnis des Hilfsmittelverzeichnisses zu den Hilfsmittelrichtlinien folgendes: Wenn ein Hilfsmittel benötigt wird, ist es immer empfehlenswert, zu prüfen, ob dieses im Hilfsmittelverzeichnis enthalten ist. In diesem Fall ist dem Antrag an die Krankenkasse eine ärztliche Verordnung und zweckmäßigerweise eine Begründung beizufügen. Wurde ein Hilfsmittel noch nicht in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen, erfülltes aber die Anforderungen nach § 33 SGB V, kann ein begründeter Antrag an die Krankenkasse selbst dann gestellt werden, wenn eine ärztliche Verordnung nicht erfolgt ist; denn die Versorgung mit Hilfsmitteln ist nicht ausschließlich von einer ärztlichen Verordnung abhängig. Der Arztvorbehalt des § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB V gilt insoweit nicht (BSG Urteil vom 16. September 1999, Az: B 3 KR 1/99 R = SozR 3-2500 § 33 Nr. 33; Noftz in Hauck/Haines, SGB V, § 15 RdNr 17 aE; BSG Urteil vom 13. Mai 1998, Az: B 8 KN 13/97 R = SozR 3-2500 § 33 Nr. 28).
Nach § 12 SGB V müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht übersteigen. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. In den durch das Wirtschaftlichkeitsgebot gezogenen Grenzen ist bei gleicher Indikation und gleichartig wirkenden Hilfsmitteln die nach Art und Umfang preisgünstigere Versorgung zu wählen. Allerdings kann nur auf ein preiswerteres Produkt verwiesen werden, das den im Hilfsmittelverzeichnis nach § 128 SGB V festgelegten Qualitätsstandards entspricht.
Das Bundessozialgericht verlangt, damit die Wirtschaftlichkeit bejaht werden kann, eine angemessene Nutzen-Preis-Relation. Für Lese-Sprech-Geräte fordert es, dass diese durchschnittlich ca. fünf Stunden wöchentlich benötigt werden (Urteile vom 23.08.1995 - 3 RK 7/95 = SozR 3-2500 § 33 Nr. 16). für ein Farberkennungsgerät stellt es darauf ab, dass dieses täglich zwischen fünf- und zehnmal benötigt wird (Urteil vom 17.01.1996 - 3 RK 38/94 = SozR 3-2500 § 33 Nr. 18).
Der Kostendämpfung, und damit dem Gebot der Wirtschaftlichkeit (§ 12 SGB V) dient die Festsetzung von Festbeträgen. In der gesetzlichen Krankenversicherung gibt es Festbetragsregelungen für Arzneimittel und für Hilfsmittel. Sie sollen eine wirtschaftliche und qualitativ hochwertige Therapie gewährleisten und die Versichertengemeinschaft vor überhöhten Preisen schützen. Die gesetzliche Grundlage findet sich in § 35 SGB V (Arznei- und Verbandmittel) und § 36 SGB V (Hilfsmittel).
Ist für ein erforderliches Hilfsmittel ein Festbetrag nach § 36 festgesetzt, trägt die Krankenkasse die Kosten nur bis zur Höhe dieses Betrags (§ 33 abs. 2 S. 1 SGB V). Trotzdem handelt es sich um eine Leistung im Rahmen des Sachleistungsprinzips; denn der Leistungsanspruch ist grundsätzlich im Wege der Sachleistung zu erfüllen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Die Krankenkasse erfüllt ihre Leistungspflicht mit der Übernahme des Festbetrags (§ 12 Abs. 2 SGB V). Der Festbetrag stellt also die Obergrenze des Leistungsanspruchs des Versicherten dar. Wählt der Versicherte ein teureres Hilfsmittel, muss er die Differenz selbst tragen - zusätzlich zur gesetzlichen Zuzahlung und auch dann, wenn er von der Zuzahlung befreit ist.
Das BVerfG hat mit seinem Urteil vom 17. Dezember 2002 - 1 BvL 28/95, 1 BvL 29/95, 1 BvL 30/95 - (SozR 3-2500 § 35 Nr. 2) entschieden, dass die Einführung von Festbeträgen zulässig ist und nicht gegen das Sachleistungsprintzip verstößt. Bei der Festsetzung von Festbeträgen handelt es sich um Allgemeinverfügungen, für die die Ermächtigung in den §§ 35 und 36 SGB V genügt.
Die Festbeträge sind so festzusetzen, dass sie im Allgemeinen eine
ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte
Versorgung gewährleisten. Sie haben Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen,
sollen einen wirksamen Preiswettbewerb auslösen und haben sich deshalb an
möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten auszurichten. Die Festbeträge
sind mindestens einmal im Jahr zu überprüfen; sie sind in geeigneten
Zeitabständen an eine veränderte Marktlage anzupassen. Die Festbetragsregelungen
für Hilfsmittel sind nachlesbar auf den Internetseiten der Innungskrankenkassen
unter der Adresse http://www.ikk.de/ikk/generator/ikk/das-bietet-die-ikk/unsere-leistungen/66724,i=l.html
Festbeträge
werden in einem zweistufigen Verfahren festgelegt.
Die Krankenkassen-Spitzenverbände bestimmen in einer ersten Stufe gemeinsam und einheitlich Gruppen festbetragsfähiger Hilfsmittel, wie z.B. Seh- und Hörhilfen, Inkontinenz- und Stomaartikel, Dekubitusmittel sowie Einlagen.
In der zweiten Stufe entscheiden die Spitzenverbände der Krankenkassen
erstmalig bis zum 31.12.2004, in welcher Höhe Festbeträge festgesetzt
werden.
Hinsichtlich der Gruppenbildung als auch der Festbetragsfestsetzung
sind die Verbände der Leistungserbringer als auch der Patienten zu
beteiligen.
Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben am 1. Dezember 2004 mit Wirkung ab 1.1. 2005 für sechs Hilfsmittelgruppen erstmals bundesweit einheitliche Festbeträge festgesetzt. Dazu gehören auch Sehhilfen.
Der für ein Hilfsmittel festgesetzte Festbetrag begrenzt allerdings die Leistungspflicht der Krankenkasse dann nicht, wenn die unter die Festbetragsregelung fallenden Hilfsmittel für den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreichen (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - 1 BvL 28/95, 29/95 und 30/95 -). Sollte also der erforderliche Ausgleich des beeinträchtigten Sehvermögens nur mit einem Hilfsmittel, für welches kein Festpreis festgesetzt ist, erreichbar sein, so besteht Anspruch auf Versorgung mit dieser Sehhilfe.
Für Hilfsmittel, für welche keine Festbeträge festgesetzt sind, sind die
Preise, wie sie in den nach § 127 SGB V abzuschließenden Verträgen vereinbart
sind, maßgebend.
Es gibt zwei unterschiedliche Vertragsgestaltungen. Zu unterscheiden sind 1. Verträge, die nach § 127 Abs. 1 S. 1 zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen sowie den Verbänden der Ersatzkassen mit Wirkung für ihre Mitgliedskassen mit Verbänden der Leistungserbringer (Rahmenverträge) Und 2. Verträge, die gemäß § 127 Abs. 2 S. 1 zwischen einzelnen Krankenkassen und Leistungserbringern abgeschlossen werden.
Im ersten Fall übernimmt die Krankenkasse bei ihrer Leistung die jeweils zwischen den Verbänden vereinbarten Preise. Im zweiten Fall können die Krankenkassen mit einzelnen Leistungserbringern vereinbaren, dass diese zu niedrigeren Preisen als in den zwischen den Verbänden abgeschlossenen Verträgen leisten. Dabei muss die gleiche Qualität gewährleistet sein.
Erfolgt im Einzelfall die Leistung zu einem höheren Abgabepreis, weil z. B. ein anderes oder ein aufwendigeres Hilfsmittel gewählt wird, muss der Versicherte die Differenz zwischen dem Durchschnittspreis von Hilfsmitteln des "unteren Drittels" und dem Abgabepreis tragen. Einzelheiten zur Ermittlung dieses Durchschnittspreisen sind § 127 Abs. 3 SGB V zu entnehmen.
Es ist zweckmäßig, sich vor der Ausstattung mit einem Hilfsmittel bei der Krankenkasse oder dem vom Versicherten gewünschten Leistungserbringer zu erkundigen, ob und welche Verträge bestehen sowie welche Preise vereinbart worden sind.
In den Verträgen können weitere Einzelheiten Über die Versorgung mit Hilfsmitteln und deren Wiedereinsatz vereinbart werden.
Von den Verträgen nach § 127 SGB V, welche die vertragliche Grundlage für die Leistung bilden, ist der bei der Ausstattung mit einem Hilfsmittel im konkreten Einzelfall zwischen der Krankenkasse und dem Leistungserbringer abzuschließende Vertrag zu unterscheiden. Hier kann es sich z. B. um einen Kaufvertrag (§§ 433 ff BGB) handeln. Aus diesem Vertrag ergeben sich die Leistungspflichten im "Einzelfall und die Rechte bei Leistungsstörungen, also z. B. bei Mängeln (§§ 437 ff BGB).
Zuständig für Streitigkeiten aus all den Verträgen, auch soweit Beziehungen zu Fritten betroffen sind, sind gemäß § 51 SGG die Sozialgerichte.
Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, müssen gemäß § 33
Abs. 2 S. 5 zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten
Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von
der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle leisten. Die
Zuzahlungen betragen danach 10 vom Hundert des Abgabepreises, mindestens jedoch
5 Euro und höchstens 10 Euro; allerdings jeweils nicht mehr als die Kosten des
Hilfsmittels.
Die Zuzahlung fällt pro verordnetes Hilfsmittel an. Besteht ein Hilfsmittel auch mehreren Komponenten, wie z. B. ein offenes System eines Lesegerätes (Scanner, Software und Sprachausgabe) fällt die Zuzahlung ebenfalls nur einmal an. Zum Hilfsmittel gehören auch die Reparaturen oder Erhaltungskosten. Für diese ist keine Zuzahlung zu leisten. Wird ein unbrauchbar gewordenes Hilfsmittel, z. B. ein weißer Langstock, durch ein neues ersetzt, so handelt es sich um eine neue Verordnung. Es fällt also wieder eine Zuzahlung an. Die Zuzahlungspflicht besteht unabhängig davon, ob das Hilfsmittel in das Eigentum des Versicherten übergeht oder nur leihweise zur Verfügung gestellt wird.
Grundsätzlich gilt im sozialen Krankenversicherungsrecht das Sachleistungsprinzip. Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen (SGB V § 2 Abs. 2). Die Frage ist, inwieweit bei der Auswahl der Leistung, also bei der Auswahl des Hilfsmittels Wünsche des Versicherten berücksichtigt werden müssen.
Wenn Versicherte ein bestimmtes Hilfsmittel, z. B. ein bestimmtes Lesegerät wollen, ergeben sich häufig aus folgendem Grund Schwierigkeiten: Nach § 127 SGB V können die Krankenkassen mit Leistungserbringern Verträge abschließen.
Immer wieder werden Blinde von ihren Krankenkassen auf bestehende Verträge mit bestimmten Leistungserbringern, z. B. Lieferanten von Lese-Sprech-Geräten oder Blindenführhunden, hingewiesen. Wird dadurch das Wahlrecht des Versicherten wirkungslos?
Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 03.11.1999 - B 3 KR 16/99 R - entschieden: "Unter verschiedenartigen, aber gleichermaßen geeigneten und wirtschaftlichen Hilfsmitteln hat der Versicherte auch beim Sachleistungsprinzip die Wahl."
Diesem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Klägerin wollte anstatt eines Elektrorollstuhls ein zum Einkauf für sie besser geeignetes vierrädriges Elektromobil "Shop-Rider". Die Krankenkasse lehnte das ab und wollte sie mit einem Elektrorollstuhl ausstatten.
Das BSG entschied, dass der Wunsch der Klägerin berücksichtigt und sie mit dem Elektromobil ausgestattet werden müsse, weil dieses gleichermaßen wie der Elektrorollstuhl geeignet und gleich wirtschaftlich sei. Es stützt seine Entscheidung auf § 33 SGB I, also auf eine Bestimmung des allgemeinen Teils, die für das gesamte Sozialrecht gilt. Diese Bestimmung lautet: "Ist der Inhalt von Rechten oder Pflichten nach Art oder Umfang nicht im Einzelnen bestimmt, sind bei ihrer Ausgestaltung die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten oder Verpflichteten, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, so weit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Dabei soll den Wünschen des Berechtigten oder Verpflichteten entsprochen werden, so weit sie angemessen sind."
Diese Vorschrift gilt nach dem Urteil des BSG auch und gerade bei Sachleistungen und wenn der Verpflichtete, also die Krankenkasse, ein Auswahlermessen hat.
Weiter wird im Urteil ausgeführt: "Bei der Versorgung mit Hilfsmitteln ist die Notwendigkeit, eine Wahl zu treffen, schon deshalb häufig gegeben, weil der Wettbewerb der Leistungserbringer für mehrere, u. U. auch zahlreiche gleichwertige Angebote auf dem Markt sorgt. Das Wahlrecht nach § 33 SGB I soll nicht nur sicherstellen, dass die Menschenwürde und die Freiheit des einzelnen gewahrt wird, sondern auch Gesichtspunkte der Effizienz zum Tragen kommen (BT-Drucksache 7/868 S. 27)."
Das Wahlrecht des Leistungsberechtigten wurde durch § 9 SGB IX mit Wirkung ab 01.07.2001 noch verstärkt. Diese Bestimmung lautet:
"(1) Bei der Entscheidung über die Leistungen und bei der Ausführung der Leistungen zur Teilhabe wird berechtigten Wünschen der Leistungsberechtigten entsprochen. Dabei wird auch auf die persönliche Lebenssituation, das Alter, das Geschlecht, die Familie sowie die religiösen und weltanschaulichen Bedürfnisse der Leistungsberechtigten Rücksicht genommen; im Übrigen gilt § 33 des 1. Buches. Den besonderen Bedürfnissen behinderter Mütter und Väter bei der Erfüllung ihres Erziehungsauftrages sowie den besonderen Bedürfnissen behinderter Kinder wird Rechnung getragen.
(2) Sachleistungen zur Teilhabe, die nicht in Rehabilitationseinrichtungen auszuführen sind, können auf Antrag der Leistungsberechtigten als Geldleistungen erbracht werden, wenn die Leistungen hierdurch voraussichtlich bei gleicher Wirksamkeit wirtschaftlich zumindest gleichwertig ausgeführt werden können. Für die Beurteilung der Wirksamkeit stellen die Leistungsberechtigten dem Rehabilitationsträger geeignete Unterlagen zur Verfügung. Der Rehabilitationsträger begründet durch Bescheid, wenn er den Wünschen des Leistungsberechtigten nach den Abs. 1 und 2 nicht entspricht.
(3) ..."
Gesetzgebung und Rechtsprechung räumen dem Selbstbestimmungsrecht der Berechtigten zunehmend mehr Beachtung ein. Das wird auch aus dem Satz in der Begründung des oben zitierten Urteils deutlich: ".. unter mehreren objektiv gleichwertigen Versorgungsmöglichkeiten weiß der Betroffene im Zweifel besser als der Versicherungsträger, welches Mittel seinen Bedürfnissen am ehesten gerecht wird."
Das Wahlrecht muss allerdings rechtzeitig, d. h. vor erfolgter Ausstattung durch die Krankenkasse, wahrgenommen werden (Urteil des BSG vom 03.11.1999 - B 3 KR 15/99 R). Vgl. dazu auch unten unter "Ersatzbeschaffung".
Auf Grund des Wahlrechtes dürfte es Krankenkassen nicht mehr ohne weiteres möglich sein, Blinde z. B. auf ein bestimmtes Lesegerät oder auf einen Blindenführhund einer bestimmten Ausbildungsstätte festzulegen, weil mit diesen Leistungserbringern ein Vertrag besteht. Offen lässt das BSG die Frage, ob die Krankenkasse auf ein Hilfsmittel, das sie in ihrem Bestand hat und das sie dem Versicherten zur Verfügung stellt, verweisen kann, weil das wirtschaftlicher sei als eine Neuanschaffung.
Wenn durch die Wahl allerdings Mehrkosten entstehen, z. B. das bevorzugte Lese-Sprech-Gerät teurer ist, wird die Krankenkasse verlangen können, dass die Mehrkosten vom Berechtigten selbst getragen werden.
Die Mehrkosten sind auch zu tragen, wenn ein Berechtigter ein geeignetes Hilfsmittel in einer aufwändigeren Ausführung als notwendig wählt (§ 31 Abs. 3 SGB IX).
Allerdings gilt nach einem Urteil des BSG vom 23. Januar 2003, - B 3 KR 7/02 R - (SozR 4-2500 § 33 Nr. 1) Das Wahlrecht der Versicherten unter verschiedenen geeigneten Hilfsmitteln nicht uneingeschränkt. Sie können die Hilfsmittel grundsätzlich nur von jenen Leistungserbringern bzw. Hilfsmittellieferanten beziehen, die von den Krankenkassen zur Leistungserbringung zugelassen sind. Auf das Bestehen eines Vertrages nach § 127 SGB V kommt es dagegen nicht an.
Versicherte haben keinen Anspruch auf Ersatzbeschaffung, solange das Hilfsmittel funktioniert und den zu stellenden Anforderungen entspricht
Nach den §§ 31 Abs. 1 SGB IX und 33 SGB V sind die Krankenkassen verpflichtet, die erforderlichen Hilfsmittel zu gewähren. Aus dieser Verpflichtung folgt jedoch nicht, dass diese bei entsprechendem technischen Fortschritt auch verpflichtet sind, Versicherte in einzelnen Lebensbereichen jeweils mit Hilfsmitteln des aktuellsten technischen Standes auszustatten (Urteil des BSG vom 30.01.2001 - B 3 KR 10/00 R = SozR 3-2500 § 33 Nr. 40). In diesem Rechtsstreit ging es um die Ausstattung eines blinden Studenten mit einem Notebook. Da dieser Student bereits eine stationäre Ausrüstung hatte, lehnte das BSG den Anspruch ab.
Dass das Notebook selbst das Studium erleichtert, nutzte dem Kläger nichts, denn nach Auffassung des BSG zählt zu den elementaren Grundbedürfnissen zwar die elementare Schulbildung, nicht jedoch eine qualifizierte Ausbildung wie z. B. ein Studium (vgl. auch Urteil des BSG vom 22. Juli 2004 - B 3 KR 13/03 R).
Die Versorgung mit einem neuen Hilfsmittel findet nur dann statt, wenn das alte "objektiv ungeeignet oder nicht ausreichend" ist (Urteil des BSG vom 03.11.1999- B 3 KR 15/99 R). Der Kläger hatte in diesem Fall einen Elektrorollstuhl beantragt und von der Krankenkasse auch bewilligt bekommen. Erst dann stellte er fest, dass für ihn zum Einkaufen ein Elektromobil geeigneter wäre. Das war zu spät. Im Urteil heißt es: "(Es) besteht ein Anspruch dann nicht mehr, wenn der Versicherte bereits ausreichend versorgt und zur Wahrung des betroffenen Grundbedürfnisses die Ausstattung mit einem weiteren Hilfsmittel nicht erforderlich ist. Die Beklagte hat die gesetzliche Leistungspflicht bereits dadurch erfüllt, dass sie dem Kläger einen Elektrorollstuhl zur Verfügung gestellt hat." Die Änderung eines einmal geäußerten Wunsches ist nach dieser Entscheidung jedenfalls dann nicht mehr möglich, wenn auf Grund der Wahl (des Antrags) der Krankenkasse bereits Aufwendungen entstanden sind.
Objektiv ungeeignet ist ein Hilfsmittel, wenn es nicht mehr funktionsfähig ist und auch nicht mehr repariert werden kann. Aber auch, wenn in der Person des Versicherten liegende Gründe ein neues Gerät erforderlich machen, z. B., wenn das Sehvermögen so nachgelassen hat, dass das Bildschirmlesegerät durch ein Lese-Sprech-Gerät ersetzt werden muss.
Dieser Rechtsprechung ist zu entnehmen, dass, solange z. B. ein Lesesprechgerät oder eine Braillezeile noch einwandfrei funktioniert, kein Anspruch auf Ausstattung mit einem neuen Gerät besteht, nur weil dieses etwa leichter zu bedienen ist. Ein Anspruch auf Neuversorgung ist aber dann zu bejahen, wenn sich die Standards z. B. hinsichtlich der Benutzbarkeit und der Bedienbarkeit generell so geändert haben, dass das alte Gerät diesen Anforderungen nicht mehr entspricht. Die Ausstattung ist dann nicht mehr ausreichend.
Der Wechsel der Krankenkasse ist heute gegenüber früher wesentlich erleichtert (vgl. SGB V § 173 i. V. m. § 175). Die Krankenkasse kann frei gewählt werden. Aber auch nach getroffener Wahl ist ein Wechsel möglich. § 175 Abs. 4 SGB V bestimmt dazu: "(4) Versicherungspflichtige und Versicherungsberechtigte sind an die Wahl der Krankenkasse mindestens 18 Monate gebunden, wenn sie das Wahlrecht ab dem 1. Januar 2002 ausüben. Eine Kündigung der Mitgliedschaft ist zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats möglich, gerechnet von dem Monat, in dem das Mitglied die Kündigung erklärt. Die Krankenkasse hat dem Mitglied unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Kündigung eine Kündigungsbestätigung auszustellen. Die Kündigung wird wirksam, wenn das Mitglied innerhalb der Kündigungsfrist eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse durch eine Mitgliedsbescheinigung nachweist. …) Dabei gilt ein besonderes Kündigungs- und damit Wahlrecht bei Beitragserhöhungen.
§ 175 Abs. 4 S. 5 bestimmt dazu: "Erhöht eine Krankenkasse ihren Beitragssatz, kann die Mitgliedschaft abweichend von Satz 1 bis zum Ablauf des auf das Inkrafttreten des der Beitragserhöhung folgenden Kalendermonats gekündigt werden."
Ein solcher Mitgliedswechsel kann sich negativ auswirken, wenn ein Versicherter ein Hilfsmittel von seiner bisherigen Krankenkasse leihweise zur Verfügung gestellt bekommen hat. Nach § 19 Abs. 1 SGB V erlischt der Anspruch auf Leistungen nämlich mit dem Ende der Mitgliedschaft, so weit nichts anderes bestimmt ist.
Bei leihweiser Überlassung des Hilfsmittels hat die bisherige Krankenkasse gemäß § 604 BGB einen Anspruch auf Rückgabe des Hilfsmittels.
Wenn die bisherige Krankenkasse diesen Anspruch geltend macht, muss bei der neuen Krankenkasse erneut die Ausstattung mit dem entsprechenden Hilfsmittel nach § 33 SGB V beantragt werden. Damit beginnt das Genehmigungsverfahren von neuem. Die neue Krankenkasse ist an die frühere Entscheidung nicht gebunden. Sie kann z. B. infolge der technischen Entwicklung zu einem anderen Ergebnis kommen oder ein anderes Hilfsmittel zur Verfügung stellen wollen. Sie kann aber auch das Eigentum an dem von der früheren Krankenkasse zur Verfügung gestellten Hilfsmittel erwerben und dieses ihrem neuen Mitglied weiterhin zur Verfügung stellen. Die neue Krankenkasse bräuchte für den Erwerb nur den Zeitwert bezahlen. Außerdem würden keine Einweisungskosten entstehen. Wenn auch kein Rechtsanspruch auf eine solche Verfahrensweise besteht, ist es doch sinnvoll, dieses Problem vor dem Kassenwechsel mit der neuen Krankenkasse zu klären.
Der Anspruch auf Ausstattung mit einem Hilfsmittel umfasst nach § 33 Abs. 1
S. 3 SGB V auch die notwendige Ausbildung in ihrem Gebrauch. Beispiele sind das
Orientierungs- und Mobilitätstraining beim weißen Langstock, die Ausbildung im
Umgang mit einem Blindenführhund oder die Einweisung in die Bedienung eines
Lese-Sprechgerätes.
Besonderheiten zu den Hilfsmitteln im
Einzelnen
Sehhilfen
Eine spezielle Regelung ist in § 33 Abs. 1 S. 3 ff. für die Ausstattung mit Sehhilfen ergangen. Die Versorgung mit Sehhilfen (Produktgruppe 25 im Hilfsmittelverzeichnis) wird durch diese Bestimmung auf Minderjährige und auf "schwer Sehbehinderte" eingeschränkt.
Versicherte haben danach bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach den Sätzen 1 und 2. D. h. sie müssen im Einzelfall erforderlich sein, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen.
Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, gilt folgendes: Sie erhalten keine Zuschüsse mehr zu den im Hilfsmittelverzeichnis der Krankenkassen aufgeführten "Sehhilfen" wie Brillen, Kontaktlinsen und Lupen. Es gelten jedoch zwei Ausnahmen:
Erstens: "Für Versicherte auch wenn sie das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie auf Grund ihrer Sehschwäche oder Blindheit, entsprechend der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Klassifikation des Schweregrades der Sehbeeinträchtigung als "schwer sehbeeinträchtigt" gelten. Das ist der Fall, wenn sie auf beiden Augen eine Sehbeeinträchtigung der Stufe 1 aufweisen. Die Entscheidung, ob eine ausreichende Sehbeeinträchtigung vorliegt, trifft nicht das Versorgungsamt, sondern der behandelnde Augenarzt. Es gelten deshalb auch nicht die für den Behindertenausweis vorgegebenen Maßstäbe, sondern es gilt die genannte internationale Klassifikation. Danach liegt eine Sehbeeinträchtigung der Stufe 1 vor bei einer Minderung der Sehschärfe bei bestmöglicher Korrektur durch Brillen auf 0,3 oder weniger . Fraglich ist, ob der Anspruch auf Sehhilfen auch bei einer besseren Sehschärfe, aber erheblichen Gesichtsfeldeinschränkungen bejaht werden kann. Wenn die Sehbeeinträchtigung gleich schwer ist wie die Einschränkung der Sehschärfe auf 0,3, muss das bejaht werden. Daraus folgt, dass auch bei entsprechend großen Gesichtsfeldausfällen, wie sie typischerweise bei RP-Patienten auftreten, die Versorgung mit der entsprechenden Brille nicht ausgeschlossen ist. Ferner ergibt sich daraus: Ein Bildschirmlesegerät, das nach dem geltenden Hilfsmittelverzeichnis erst bei einer Minderung der Sehschärfe auf 0,1 und darunter gewährt wird, wird auch in der Zukunft ohne weitere Einschränkung gewährt. Folgt man der Terminologie des Hilfsmittelverzeichnisses, so müssen Fernrohrlupenbrillen und andere Sehhilfen, die erst bei "mittelgradiger Sehbehinderung (Visus 0,3 und weniger) gewährt werden, ohne neue Einschränkungen gewährt werden.
Zweitens: Eine weitere Ausnahme gilt für Sehhilfen mit einem therapeutischen Zweck. Der Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Beispiele sind Oklusionsschalen und Schielkapseln zum Einsatz bei Schielbehandlungen wegen Amblyopie sowie Uhrglasverbände bei Einsatz von unvollständigem Lidschluss z.B. infolge einer Gesichtslähmung, um das Austrocknen der Hornhaut zu vermeiden." (Gesetzesbegründung zu § 33 SGB V)
Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfasst nicht die Kosten des Brillengestells.
Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach § 33 Abs. 1 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen (§ 33 Abs. 4 SGB V).
Zu beachten ist, dass außerdem für Sehhilfen weitgehend Festbeträge (§ 36 SGB V) festgesetzt sind, so dass Mehrkosten für eine aufwendigere Versorgung vom Versicherten selbst getragen werden müssen (§ 33 Abs. 2 S. 1 SGB V).
Eine weitere Besonderheit ist, soweit nach dem oben Dargestellten überhaupt noch ein Anspruch besteht, nach § 33 Abs. 3 für die Versorgung mit Kontaktlinsen zu beachten: Der Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach § 33 Absatz 1 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen zahlt die Krankenkasse als Zuschuss zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.
Eine der einschneidendsten Folgen der Erblindung ist die Beeinträchtigung in der Orientierung und in der Mobilität. Weil das Sehvermögen fehlt, kann der eigene Standpunkt in Beziehung zu anderen Objekten optisch nicht bestimmt werden. Dadurch ist die Orientierung fast völlig ausgeschaltet. Das führt wiederum zur Beeinträchtigung der Mobilität. Es gibt vielfältige Hilfsmittel, mit welchen diese Behinderungsfolgen wenigstens teilweise ausgeglichen werden können.
Zu unterscheiden sind primäre und sekundäre Mobilitätshilfen. Die primären Hilfsmittel ermöglichen eine selbständige Fortbewegung. Sekundäre Hilfsmittel unterscheiden sich von den primären dadurch, dass sie diese ergänzen. Primäre Mobilitätshilfen sind der Langstock und der Blindenführhund. Sekundäre Mobilitätshilfen sind elektronische Hindernismelder und Orientierungshilfen (Blindenleitgeräte).
Ein Hilfsmittel im Sinn von § 33 Abs. 1 SGB V ist der weiße Langstock. Er ist für die Benützung durch blinde oder stark sehbehinderte Menschen bestimmt, wird ausschließlich von diesen Behindertengruppen benützt und dient der Befriedigung eines Grundbedürfnisses, nämlich der Gewinnung eines körperlichen Freiraumes.
Die Blindenlangstöcke finden sich im Hilfsmittelverzeichnis Produktgruppe 07 unter den Nrn. 075001 ff. Die Erstausstattung kann zur Sicherheit, dass der Langstock im Gebrauch beschädigt und dadurch unbrauchbar wird einen zweiten Langstock umfassen.
Zur Ausstattung mit einem Langstock gehört gemäß § 33 Abs. 1 S. 3 SGB V die Schulung in seinem Gebrauch (Orientierungs- und Mobilitätstraining - O-u-M-Training).
Die Grenzen der Verpflichtung der gesetzlichen Krankenkassen zur Kostenübernahme für das Orientierungs- und Mobilitätstraining zeigt ein Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts 1. Senat vom 27. August 2002 - L 1 KR 48/01.
Die Klägerin war von ihrer Krankenkasse mit einem Langstock ausgestattet worden. Außerdem hatte sie ein Orientierungs- und Mobilitätstraining von 60 Stunden erhalten. Nach einigen Jahren beantragte die Klägerin weitere 8 Stunden, weil sich durch die Umgestaltung in einem Supermarkt die Verhältnisse in ihrer Umwelt verändert hätten. Das lehnte die Krankenkasse ab. Die Klage gegen den ablehnenden Bescheid und die Berufung gegen das negative Urteil der ersten Instanz hatten keinen Erfolg. Das LSG Schleswig-Hollstein begründete seine Entscheidung damit, dass es sich bei der Nachschulung infolge der Umgestaltung des Supermarktes nicht um die Ausbildung Im Umgang mit dem Blindenstock handle. "Außerdem geht der Anspruch auf Hilfsmittelversorgung bzw. der Gebrauch mit diesem nicht über die Befriedigung eines Grundbedürfnisses hinaus." Das LSG meint, dass es sich beim Einkauf von Lebensmitteln nicht um ein "tägliches Grundbedürfnis" handle. Diese Auffassung ist nicht zutreffend. Sie steht im Widerspruch zum Urteil des BSG vom 3. 11. 1999 - B 3 KR 16/99 R und vom 16. 9. 1999 - B 3 KR 8/98 R - wonach zu den Alltagsgeschäften auch das Einkaufen von Lebensmitteln und Gegenständen des täglichen Bedarfs gehört. Ein Antrag auf Nachschulung muss sehr sorgfältig begründet werden. Der Anspruch ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn z. B. nach einem Umzug völlig neue Situationen bewältigt werden müssen, die bisher im Lebensumfeld des Versicherten keine Rolle spielten und deshalb im Orientierungs- und Mobilitätstraining nicht berücksichtigt worden sind. Zu denken ist z. B. an die Benutzung von U- und S-Bahn, wenn diese Verkehrsmittel am bisherigen Wohnort nicht vorhanden waren. Nähere Auskünfte über Leistungserbringer geben der Berufsverband der Rehabilitationslehrer/innen für Orientierung und Mobilität sowie die Blindenselbsthilfeorganisationen.
Blindenselbsthilfeorganisationen können als Verbände der Leistungserbringer fungieren, wenn sie selbst O-u-M-Trainer beschäftigen oder das Training auf Grund von Vereinbarungen mit O-u-M-Trainern vermitteln. So haben die Krankenkassenverbände in Bayern auf Grund von § 127 Abs. 1 SGB V am 11. April 2004 einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen. In diesem Vertrag ist z. B. geregelt:
In § 3 der Leistungsumfang. Nach § 3 Abs. 2 kann an einer Schulung in O&M jeder auch mehrfachbehinderte Blinde und hochgradig Sehbehinderte teilnehmen.
Zum erforderlichen Umfang der Schulung bestimmt § 3 Abs. 3: "(3) Bei der Erstversorgung mit Unterricht in O&M ist in der Rege! von einem Grundbedarf von bis zu 60 Unterrichtsstunden a' 45 Minuten (zuzügl. 15 Minuten Vor- und Nachbereitungszeit) auszugehen. Der Unterrichtsumfang richtet sich nach den Unterrichtsinhalten, die von den Leistungserbringern unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles (Gesundheit, weitere Behinderungen, Belastbarkeit, persönliche Lebensumstände) des Blinden oder hochgradig Sehbehinderten festgelegt werden. Eine Verlängerung der Schulung auf bis zu 120 Unterrichtsstunden ist im begründeten Einzelfall möglich. In besonderen Fällen kann der Grundbedarf in O&M höher als 120 Unterrichtsstunden sein; dies ist insbesondere der Fall bei Personen, die von Geburt an blind sind oder bei blinden oder hochgradig sehbehinderten Personen mit einer zusätzlichen motorischen, kognitiven, psychischen oder sonstigen gravierenden Behinderung."
Zur oben behandelten Problematik einer Nachschulung heißt es in § 4 Abs. 5 dieser Vereinbarung: "
"(5) Nach Abschluss einer O&M kann eine Folgeversorgung in O&M nach vertragsärztlicher Verordnung und vorheriger Genehmigung der Krankenkasse übernommen werden, wenn
Die O-u-M-Trainer, die im Rahmen dieses Vertrages als Leistungserbringer tätig werden wollen, müssen einen Verpflichtungsschein unterzeichnen, in welchem sie sich mit dem Inhalt einverstanden erklären.
Mit dem Umfang des Unterrichtsbedarfes in O-u-M setzt sich eingehend Michael Brambring, Prof. für klinische Psychologie/Rehabilitation an der Universität Bielefeld. In einem Fachgutachten vom Oktober 2002 auseinander. Das Gutachten ist beim DBSV erhältlich.
Das BSG hat die Hilfsmitteleigenschaft für den Blindenführhund in seinem Urteil vom 25.02.1981 - 5a/5 RKn 3578 = SozR 2200 § 182b Nr. 19 - (abweichend von seinem Urteil vom 11.11.1977 - 3 RK 7/77 = BSGE 45, 133) anerkannt.
Es besteht kein Zweifel, dass Blindenführhunde Hilfsmittel im Sinne der
Krankenversicherung sind. Sie gleichen auf dem Gebiet der Orientierung und
Mobilität die Blindheit aus und dienen damit der Befriedigung eines elementaren
Grundbedürfnisses. Sie sind speziell für den Ausgleich der durch die Behinderung
verursachten Beeinträchtigung ausgebildet. Die Blindenführhunde sind im
Hilfsmittelverzeichnis in der Produktgruppe 99 (Verschiedenes) unter Nr.
99.99.01 aufgeführt. Die Krankenkassen sind auch verpflichtet, die Kosten für
den Unterhalt des Führhundes zu tragen. Das ergibt sich aus der Verpflichtung,
das "Hilfsmittel Führhund" in Stand zu halten. Nach einer Empfehlung der
Spitzenverbände der Kranken-, Unfall- und Rentenversicherungsträger wird ein
pauschaler Aufwendungsersatz für die regelmäßig entstehenden Kosten
(Futterkosten, Kosten für regelmäßige Impfungen) jeweils in Höhe des in § 14 BVG
festgesetzten Betrages geleistet. In unregelmäßigen Abständen entstehende Kosten
z. B. für die tierärztliche ambulante oder stationäre Behandlung oder für die
Erneuerung des Führgeschirrs übernimmt die Krankenkasse im notwendigen Umfang
bei Bedarf.
An dieser Rechtsauffassung hat auch das Urteil des BSG vom
20.11.1996 (3 RK 5/96 - SozR 3-2500 § 33 Nr. 21) nichts geändert. Es handelte
sich um einen ganz besonders gelagerten Sachverhalt. Der Kläger verfügte noch
über einen geringen Sehrest, der ihm eine ausreichende Orientierung ermöglichte,
so dass er den Führhund nicht entsprechend einsetzte. Das führte zu einer
unzureichenden Führleistung eines zunächst gelieferten Führhundes. Der Kläger
beschaffte sich daraufhin einen anderen Führhund und wollte die Kosten für
diesen erstattet haben. Das lehnte die Krankenkasse ab. Das BSG wies die
Revision als unbegründet zurück. Zur Begründung führte das BSG u. a. aus: Der
Führhund Sando sei als Hilfsmittel weder erforderlich noch geeignet. Das
Gutachten einer fachkundigen, qualifizierten Sachverständigen zugrunde gelegt,
sei der Kläger in der Lage, sein Restsehvermögen so einzusetzen, dass er sich
ohne Blindenhilfsmittel fortbewegen könne. Er nehme die Hilfe des Hundes im
normalen Tagesablauf so weitgehend nicht in Anspruch, dass er den Hund
"verderbe", weil er sich ihm nicht im erforderlichen Umfang anvertraue und sich
nur selten führen ließe; dies merke der Hund.
Befremdlich ist eine Entscheidung des SG Hamburg. Das Sozialgericht Hamburg hat mit Gerichtsbescheid vom 26.09.2001 - S 23 KR 672/99 - entschieden, dass es keinen Anspruch auf Gewährung eines Blindenführhundes gäbe, wenn der Versicherte mit einem Langstock ausgestattet und ein Mobilitätstraining absolviert habe oder noch absolvieren könnte. Das SG Hamburg hat seine Ablehnung damit begründet, dass sich die an Diabetes leidende Klägerin die erforderliche Bewegung auch auf andere Weise beschaffen könne. Mit dem Grundbedürfnis der Mobilität hat es sich nicht auseinandergesetzt. Das Gericht ist in seiner Entscheidung nicht auf die Frage eingegangen, inwieweit trotz der Ausstattung mit einem Langstock und trotz Mobilitätstraining die Ausstattung mit einem Führhund erforderlich ist, denn nur wenn das eine Doppelversorgung oder Überversorgung wäre, wenn also die Erforderlichkeit verneint werden müsste, wäre eine Ablehnung zu rechtfertigen gewesen.
Weil der Blindenführhund eine weiträumige Orientierung, wie sie nur optisch möglich ist, vermittelt, weil sein Sehen an die Stelle des verloren gegangenen Sehens des Blinden tritt, ist er zur Befriedigung des Grundbedürfnisses der Mobilität und der damit verbundenen Schaffung eines körperlichen Freiraumes erforderlich. Er ist deshalb keine Alternative zur Ausstattung mit einem Langstock und zum Mobilitätstraining. Aber auch für den Führhundhalter ist die Ausstattung mit einem Langstock und die Absolvierung eines Orientierungs- und Mobilitätstrainings erforderlich, um beim Ausfall des Blindenführhundes auf die Befriedigung seines Grundbedürfnisses Mobilität nicht verzichten zu müssen (solche Ausfälle sind immer wieder gegeben) und um auf Grund der eigenen Mobilitätsschulung den Führhund optimal einsetzen zu können. Vgl. zu dieser Entscheidung Georg Riederle in: SGb 2002, S. 96 und Gutachten von Erwin Roth, erhältlich beim DBSV.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein Urteil des SG Aachen vom 22. Oktober 2002 - S 13 KR 30/02 - BDH-Kurier 2003, Nr. ½ S. 16
Die Krankenkasse wollte in diesem Fall die Ausstattung mit einem
Blindenführhund ablehnen.
Sie verwies auf die Vorschrift des § 90a BGB und
meinte, Tiere könnten nicht als Hilfsmittel nach dem Recht der GKV gelten, da
Tiere keine Sachen seien. Sie verwies darauf, dass der Tierschutz seit Neuestem
in Artikel 20a des Grundgesetzes (GG) verankert sei. und deshalb auch kein
Hilfsmittel im Sinn von § 33 SGB V sein könne. Außerdem hielt die Krankenkasse
die Ausstattung mit einem Blindenführhund deshalb nicht für erforderlich, weil
der Kläger mit einem Blindenlangstock ausgestattet worden sei und ein
Orientierungs- und Mobilitätstraining erfolgreich absolviert habe.
Das SG Aachen stellt in seinem Urteil fest: "Der Blindenführhund ist nicht nach der Rechtsverordnung gemäß § 34 Abs. 4 SGB V von der Leistung der GKV ausgeschlossen Auch ist ein Blindenführhund kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, da er für die speziellen Bedürfnisse sehbehinderter Menschen gedacht und entsprechend geschult ist; er wird nur von diesem Personenkreis benutzt.
Der Hilfsmitteleigenschaft eines Blindenführhundes steht auch nicht die begriffliche Definition von Hilfsmitteln in den gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, Abs. 2 SGB V erlassenen "Hilfsmittel-Richtlinien" entgegen. Nach deren Ziffer 2 sind Hilfsmittel "sächliche" medizinische Leistungen. Soweit § 90a BGB, eingefügt durch Artikel 1 Nr. 2 des Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im Bürgerlichen Recht vom 20.08.1990 (BGBl. I S. 1762) bestimmt, dass Tiere keine Sachen sind, begründet dies entgegen der Auffassung der Beklagten keinen Ausschluss der Blindenführhunde aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen. Denn ebenso wie die Änderung des Artikel 20a GG durch das Gesetz vom 26. Juli 2002 (BGBl. I S. 2862) dient die Vorschrift des § 90a BGB dem Tierschutz. Tiere sind, wie es § 1 Satz 1 Tierschutzgesetz ausdrückt, Mitgefährten für den Menschen. Sie sollen daher insbesondere artgerecht gehalten und nicht in Tierversuchen unnötig gequält werden. § 90a BGB beruht auf dem Gedanken, dass das Tier als Mitgeschöpf nicht der Sache gleichgestellt werden darf (Steding, JuS 96, 863). Daraus folgt aber nicht, dass deshalb der Diebstahl (§ 242 StGB) oder die Beschädigung (§ 303 StGB) von Tieren nicht mehr strafbar sein soll. Und ebenso wenig soll die Vorschrift dazu dienen, die gesetzliche Krankenversicherung von der grundsätzlichen Verpflichtung zu befreien, sehbehinderten Versicherten Blindenführhunde zur Verfügung zu stellen. § 90a Satz 2 BGB bestimmt deshalb auch ausdrücklich, dass auf Tiere die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden sind, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Da insoweit nichts anderes bestimmt ist, gelten die Hilfsmittel-Richtlinien auch für Blindenführhunde."
Die Ausstattung mit einem Blindenführhund zusätzlich zur Ausstattung mit einem Langstock begründet das SG Aachen folgendermaßen: "Der Kläger kann sich zwar innerhalb seiner Wohnung und in der näheren ihm bekannten Umgebung mittels des Blindenlangstocks sicher bewegen. In anderer im unbekannter Umgebung kann er jedoch den Langstock nicht mehr sicher einsetzen und ist ohne Blindenführhund auf die Hilfe seiner Ehefrau oder anderer Personen angewiesen."
Zu Streitigkeiten führt immer wieder der Wunsch, einen Blindenführhund von einer bestimmten Führhundschule, der Führhundschule des persönlichen Vertrauens zu erhalten. Bei einem Blindenführhund spielt wegen der Interaktion zwischen dem Blinden und seinem Hund das Vertrauen eine besonders große Rolle (vgl. Riederle: Der Blindenführhund als Hilfsmittel der Krankenpflege in "Die Sozialversicherung" 1989 S. 127 ff. und Riederle, "Der Blindenführhund - ein sächliches Hilfsmittel?" SGb 1999 S. 497 ff). Wenn die Krankenkasse mit mehreren Blindenführhundschulen Versorgungsverträge nach § 127 SGB V hat, besteht das Wahlrecht zwischen diesen Leistungserbringern (s. O "Wahlrecht"). Das SG Frankfurt (Main) hat in einem sehr interessanten Urteil vom 1. 2. 2002 - s 25 KR 21661/99) die Krankenkasse in einem speziellen Fall verurteilt, die vollen Kosten für einen aus einer ausländischen Führhundschule zu erstatten. Der Blinde hatte zusätzlich eine Hörbehinderung, durch welche das Richtungshören beeinträchtigt war. Er benötigte einen Führhund, der in Gefahrensituationen Befehle missachtete (intelligenter Ungehorsam). Die Krankenkasse hatte mit keiner Führhundschule einen Versorgungsvertrag. Sie konnte auch keinen Leistungserbringer nachweisen, der einen entsprechend ausgebildeten Führhund hätte zur Verfügung stellen können. Die Krankenkasse wollte trotzdem nur die Kosten in Höhe von 28 000 DM erstatten. Das SG Frankfurt (Main) verurteilte die Krankenkasse, auch die Differenz in Höhe von rund 8 000 DM zu erstatten. Wegen der fehlenden Versorgungsverträge mit Leistungserbringern und der fehlenden Qualitätskontrolle kann, wie das Gericht feststellt, der Preisunterschied zu anderen Führhundschulen nicht zu Lasten des Führhundhalters gehen.
Zum Recht, die Leistung durch eine bestimmte Führhundschule zu verlangen vgl. auch Urteil des SG Marburg 6. Kammer vom 27. Mai 2004, Az: S 6 KR 108/03.
Die Orientierungssätze dieses Urteils lauten:
"1. Ergibt sich wegen fehlender Vereinbarungen mit Leistungserbringern im Hilfsmittelbereich (hier: Blindenführhundeschulen) eine Preisvielfalt, so kann der Versicherte nicht unter Hinweis auf das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB 5 auf den billigsten Anbieter verwiesen werden. Selbst der Durchschnittspreis stellt nicht die im Einzelfall maßgebliche Obergrenze dar.
2. Mangelt es, an von Krankenkassen bzw. Landesverbänden von Krankenkassen entwickelten Qualitätsstandards mit entsprechenden Zulassungen von Leistungserbringern und Qualitätskontrollen, sind blinde Versicherte bei der Wahl der Führhundeschule ihres Vertrauens grundsätzlich berechtigt, auf die Qualitätskriterien und die Prüfergebnisse des Deutschen Vereins für Blindenführhunde und Mobilitätshilfen abzustellen."
Zur Ausstattung mit einem Blindenführhund gehört eine Schulung, in welcher der Führhundhalter und der Führhund zu einem "Gespann" zusammengeführt werden. Der Einarbeitungslehrgang soll nicht unter 14 Tage und nicht über 28 Tage dauern. Am Ende des Einarbeitungslehrganges steht eine Gespannprüfung durch eine unabhängige sachverständige Kommission. Auf Wunsch des Versicherten kann eine von ihm benannte Vertrauensperson, ebenso der Ausbilder des Führhundes als Beobachter der Prüfung beiwohnen.
Die sekundären Hilfsmittel ergänzen die primären Hilfsmittel wie Langstock oder Blindenführhund. Sie können nur zusätzlich eingesetzt werden.
Die elektronischen Blindenleitgeräte finden sich im Hilfsmittelverzeichnis nach § 128 SGB V unter der Nummer 07.50.02. Elektronische Leitgeräte arbeiten mit Hilfe von Ultraschall oder Laser. Sie dienen vor allem dem Schutz des Oberkörpers. Hindernisse in diesem Bereich, die mit dem Langstock nicht erfasst werden können, werden durch Vibration oder akustisch gemeldet. Hindernisse müssen mindestens in einer Entfernung von 2,5 m erfasst werden.
Bei der Erstausstattung ist eine Gebrauchsschulung (§ 33 Abs. 1 S. 3 SGB V) durch einen O-u-M-Trainer notwendig. In dem oben erwähnten zwischen dem Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund und den Spitzenverbänden der Krankenkassen geschlossenen Vertrag sind dafür 20 Stunden vorgesehen.
Die Orientierung erfordert die Feststellung des eigenen Standorts zur Umwelt. Zur Orientierung und Mobilität gehört die Möglichkeit, vom eigenen Standort aus ein vorgegebenes Ziel zu erreichen. Die Erlangung eines so bestimmten körperlichen Freiraums ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Hier können Navigationssysteme mit Hilfe von GPS und unter Verwendung digitalen Kartenmaterials diese Orientierung ermöglichen.
Ein solches Hilfsmittel ist der "Trekker". Die eigene Position lässt sich ermitteln. Ziele lassen sich in das Gerät schriftlich eingeben. Danach wird der Nutzer über die ermittelte Route "dirigiert". Markante Punkte, z. B. der Eingang zu einer Arztpraxis, lassen sich festlegen und werden beim Passieren dieser Stelle angesagt (vgl. Werner Krauße in Horus Heft 6/2004 S. 257 f).
Dieses Hilfsmittel ist noch nicht im Hilfsmittelverzeichnis nach § 238 SGB aufgeführt. Das steht aber einer Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V nicht im Wege (Vgl. BSG Urteile zum Lese-Sprech-Gerät vom 23.08.1995 - 3 RK 7/95 = SozR 3-2500 § 33 Nr. 16 - sowie Entscheidung zum Farberkennungsgerät vom 17.01.1996 - 3 RK 38/94 = SozR 3-2500 § 33 Nr. 18).
Die Frage ist, ob es sich beim "Trekker" um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen lebens handelt. Dann bestünde keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen (§ 33 Abs. 1 S. 1 SGB V). Es kommt darauf an, ob dieses Hilfsmittel speziell für die Benützung durch Behinderte bestimmt ist (vgl. Urteil des BSG vom 16.09.1999 - B 3 RK 1/99 R = SozR 3-2500 § 33 Nr. 33). Navigationssysteme werden heute vielfach, so auch durch Kraftfahrer eingesetzt. Der "Trekker" ist aber auf die speziellen Bedürfnisse blinder Menschen ausgerichtet. Die Eingabe von Begriffen kann über Brailleschrift erfolgen. Das Kartenmaterial muss entsprechend aufbereitet werden. Dieses Navigationssystem wird von Fußgängern, die über ein zur Orientierung ausreichendes Sehvermögen verfügen, jedenfalls gegenwärtig nicht benützt. Da das Hilfsmittel zur Befriedigung eines Grundbedürfnisses dient, ist die Leistungspflicht der Krankenkasse zu bejahen. Sollte ein Navigationssystem für Fußgänger als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens auf den Markt kommen, müsste der Blinde die auf diesen entfallenden Kosten als Eigenanteil selbst tragen, während die durch die für die Anpassung auf die Behinderung erforderliche Aufrüstung entstehenden Kosten von der Krankenkasse zu tragen wären (Urteil des BSG vom 23. August 1995 - 3 RK 7/95 = SozR 3-2500 § 33 Nr. 16).
Blinde und hochgradig Sehbehinderte können nur mit einem Tandem Rad fahren. Die Frage ist deshalb, ob es sich um ein Hilfsmittel im Sinn von § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V handelt und ob es der Befriedigung eines Grundbedürfnisses dient.
Ein Tandem ist nicht für den speziellen Bedarf Behinderter bestimmt. Es handelt sich deshalb um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Anders ist es bei einem "Therapietandem". Bei diesem handelt es sich um eine Spezialanfertigung für Behinderte, denen erst dadurch das Tandemfahren unter der Obhut einer Begleitperson ermöglicht wird (Urteil des BSG vom 16. September 1999 - B 3 KR 9/98 R = SozR 3-2500 § 33 Nr. 32.). Wenn nur Blindheit oder hochgradige Sehbehinderung vorliegt, kann ein übliches Tandem benützt werden, so dass die Leistungspflicht der Krankenkasse schon wegen des Fehlens der Hilfsmitteleigenschaft des Tandems und wegen der nicht vorhandenen Erforderlichkeit eines Therapietandems ausscheidet. Sind jedoch zusätzliche Behinderungen wie z. B. spastische Lähmungen oder eine geistige Behinderung vorhanden und ist deshalb ein Therapietandem notwendig, kommt die Leistungspflicht unter den sehr engen durch die Rechtsprechung aufgestellten Kriterien in Frage. Dass Therapietandems nicht im Hilfsmittelverzeichnis nach § 128 SGB V aufgeführt sind, steht der Hilfsmitteleigenschaft nicht entgegen.
Für die Leistungspflicht der Krankenkassen ist es erforderlich, dass das Therapietandem notwendig ist, um eine Behinderung auszugleichen (vgl. Urteil des BSG vom 16. September 1999 - B 3 KR 9/98 R = SozR 3-2500 § 33 Nr. 32 sowie vom 23. Juli 2002 - B 3 KR 3/02 R - Dreirad - zur Veröffentlichung vorgesehen - und vom 21. November 2002 - B 3 KR 8/02 R - nicht veröffentlicht -). Einschränkend ist jedoch zu beachten: Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist allein die medizinische Rehabilitation, also die möglichst weit gehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinaus gehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme.
Ein Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung liegt daher nur dann
vor, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben
beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens
betrifft (BSG Urteil vom 26. März 2003, Az: B 3 KR 26/02 R = SozR 4-2500 § 33
Nr. 2). Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. die oben genannten Urteile) gehört
zu den Grundbedürfnissen auch das Erschließen eines gewissen körperlichen und
geistigen Freiraums. Das hier in Betracht kommende Grundbedürfnis des
"Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums" hat die Rechtsprechung nur
im Sinn eines Basisausgleichs der Behinderung und nicht im Sinne des
vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten des
Gesunden verstanden. Es hat dabei die Grenzen sehr eng gezogen. So hat das BSG
in seiner Entscheidung vom 8. Juni 1994 (3/1 RK 13/93 = SozR 3-2500 § 33 Nr. 7 -
Rollstuhlboy -) zwar die Bewegungsfreiheit als Grundbedürfnis bejaht, aber dabei
auf diejenigen Entfernungen abgestellt, die ein Gesunder üblicherweise zu Fuß
zurücklegt.
Später (Urteil vom 16. September 1999, B 3 KR 8/98 R = SozR
3-2500 § 33 Nr. 31) hat der Senat das auf die Fähigkeit präzisiert, sich in der
eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen
Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im
Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen
Alltagsgeschäfte zu erledigen sind. Soweit überhaupt die Frage eines größeren
Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind bisher
immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden: So hat der dritte Senat
des BSG in seiner Entscheidung vom 16. April 1998 (B 3 KR 9/97 R -
Rollstuhl-Bike für Jugendliche - SozR 3-2500 § 33 Nr. 27) zwar diejenigen
Entfernungen als Maßstab genommen, die ein Jugendlicher mit dem Fahrrad
zurücklegt; das Hilfsmittel ist aber nicht wegen dieser - rein quantitativen -
Erweiterung, sondern wegen der dadurch geförderten Integration des behinderten
Klägers in seiner jugendlichen Entwicklungsphase zugesprochen worden (vgl. dazu
neuerdings auch Urteil des BSG vom 23. Juli 2002, B 3 KR 3/02 R - Dreirad - zur
Veröffentlichung vorgesehen -).
Ein Anspruch auf Ausstattung mit einem Therapietandem gehört nach der Rechtsprechung des BSG dann nicht zur Leistungspflicht der Krankenkasse, wenn die Fortbewegung in dem durch die Rechtsprechung gezogenen engen Rahmen z. B. durch die Fortbewegung zu Fuß oder mit Hilfe eines Rollstuhls möglich ist. Rad fahren gehört einschließlich der damit verbundenen Empfindungen wie Bewegung und Raumwahrnehmung nicht zu den Grundbedürfnissen im Sinn von § 33 SGB V. (vgl. BSG Urteil vom 21. November 2002, Az: B 3 KR 8/02 R RegNr 25966 (BSG-Intern) und BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 32). In dem Urteil vom 21. November 2002, Az: B 3 KR 8/02 R wird die Versorgung mit einem Therapietandem sogar in einem Fall abgelehnt, in welchem ein mehrfach behindertes Kind nur 100 m gehen konnte, weil es Strecken im Nahbereich im Rollstuhl geschoben werden konnte und der Behinderungsausgleich z. B. durch Gymnastik ebenso gut möglich sei. Der 8. Senat des Bundessozialgerichts hat eine Versorgung mit einem Therapie-Tandem nur in zwei Fällen zugesprochen, in denen jeweils eine ganz außergewöhnliche Bewegungseinschränkung vorlag und in der konkreten Familiensituation den gemeinsamen Fahrradausflügen eine große Bedeutung zukam (vgl. BSG vom 29.9.1997 - 8 RKn 27/96 = SozR 3-2500 § 33 Nr. 25 und vom 13. Mai 1998, Az: B 8 KN 13/97 R = SozR 3-2500 § 33 Nr. 28).
Zusammenfassend ist festzustellen: Nur wenn infolge der außergewöhnlichen Behinderung ein Therapietandem notwendig ist und der räumliche Nahbereich nicht ebenso gut zu Fuß oder mit Hilfe eines Rollstuhls bewältigt werden kann oder die spezielle familiäre Situation nur auf diese Weise die Mitnahme des behinderten Kindes auf Fahrradausflügen ermöglicht, ist nach dieser sehr engen Rechtsprechung der Anspruch auf Ausstattung mit einem Therapietandem durch die Krankenkasse gegeben. In diesem Fall sind als Eigenanteil die Anschaffungskosten für ein handelsübliches Fahrrad selbst zu tragen (vgl. Urteil des BSG vom 13. Mai 1998, Az: B 8 KN 13/97 R = SozR 3-2500 § 33 Nr. 28).
Auf die Ausstattung mit einem Blindenlangstock oder einem Blindenführhund kann diese enge Rechtsprechung nicht übertragen werden; denn die Fortbewegung erfolgt mit diesen Hilfsmitteln stets in dem zu Fuß zu bewältigenden Umfeld. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob die Wegstrecken von der Wohnung aus oder z. B. von einer Urlaubsunterkunft aus zurückgelegt werden sollen.
Der Rehabilitation blinder und sehbehinderter Menschen dient auch die Vermittlung lebenspraktischer Fähigkeiten zur Bewältigung des Alltags. Damit zusammenhängende Fragen sind:
§ 26 Abs. 3 S. 1 SGB IX bestimmt: "(3) Bestandteil der Leistungen nach Absatz 1 sind auch medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen, soweit diese Leistungen im Einzelfall erforderlich sind, um die in Absatz 1 genannten Ziele zu erreichen oder zu sichern und Krankheitsfolgen zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten, insbesondere … 6. Training lebenspraktischer Fähigkeiten, …" Nach Abs. 1 werden zur medizinischen Rehabilitation die erforderlichen Leistungen erbracht, um
Unmittelbare Geltung haben die Bestimmungen im SGB IX allerdings nur insoweit, als in den Spezialgesetzen für die einzelnen Rehabilitationsträger nichts Abweichendes bestimmt ist (SGB IX § 7).
Nach § 11 Abs. 1 SGB V haben Versicherte vor allem Anspruch auf Leistungen zur Verhütung von Krankheiten (wozu die Vorsorgemaßnahmen nach § 23 zählen), zur Früherkennung von Krankheiten und zur Krankenbehandlung (§§ 27 ff).
Nach § 11 Abs. 2 SGB V haben Versicherte auch Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation …, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Die Ziele entsprechen den in § 26 Abs. 1 und 3 SGB IX für Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation genannten Zielen. § 11 Abs. 2 S. 3 bestimmt sodann, dass die Leistungen nach Satz 1, also die Leistungen der medizinischen Rehabilitation "unter Beachtung des Neunten Buches" erbracht werden, "soweit in diesem Buch (SGB V) nichts anderes bestimmt ist".
Aus § 43 Nr. 1 SGB V ergibt sich, dass Leistungen der Rehabilitation nur insoweit erbracht werden können als sie nicht zu den Leistungen zur allgemeinen sozialen Eingliederung gehören. Deshalb ist zwischen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und solchen zur sozialen Rehabilitation zu unterscheiden.
Die Förderung bzw. Vermittlung lebenspraktischer Fähigkeiten zählt zur medizinischen Rehabilitation. Eine Maßnahme in Lebenspraktischen Fähigkeiten zur Bewältigung des Alltags führt dazu, eine Pflegebedürftigkeit oder zumindest eine Zunahme der Pflegebedürftigkeit zu vermeiden sowie Krankheitsfolgen vorzubeugen, sie zu überwinden, sie zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten.
Erfahrungen in der Rehabilitation dokumentieren, dass die Vermittlung
Lebenspraktischer Fähigkeiten blinde und sehbehinderte Menschen psychisch
stabilisiert. Psychische Beeinträchtigungen, wie z.B. depressive Verstimmungen,
die zu Beginn und während der Auseinandersetzung mit der eingetretenen
Behinderung typisch sind, werden i. d. R. nach einer erfolgreichen
Rehabilitation überwunden, weil die betroffene Person wieder aktiv am Leben
teilnehmen kann (nach Seuß/Drerup; Stellungnahme zum Anspruch auf Training
lebenspraktischer Fähigkeiten und auf andere Leistungen zur medizinischen
Rehabilitation für blinde und sehbehinderte Menschen nach dem neuen SGB IX,
Behindertenrecht 2003 S. 205 ff).
Der medizinischen Rehabilitation sind auf
Grund ihrer Zielrichtung demnach zuzuordnen:
Zu jeder Schulung in LPF gehören Schulungen von Basisfähigkeiten.
Dazu gehören der gezielte Einsatz der Sinne (Hören, Tasten, Riechen und Schmecken, sowie des im Einzelfall verbliebenen Sehvermögens und die Basissinne), wie auch die Schulung des Körperschemas, der Groß-, Fein- und Sensomotorik, der Lateralität und der Koordination.
Weitere übergreifende Basisfähigkeiten sind ein ausgeprägtes Vorstellungsvermögen und eine altersgemäß entwickelte Begriffsbildung und Motorik, sowie die Fähigkeit, selbstbestimmt zu handeln, indem eigene Handlungs- und Lösungsstrategien entwickelt und im Rahmen von Transfersituationen erprobt werden.
Vermittlung und Entwicklung aller dieser Basisfähigkeiten sind immer ein inhaltsübergreifender Bestandteil von LPF Maßnahmen.
Bei diesen Schulungen handelt es sich also nicht um isolierte Schulungseinheiten. Vielmehr sind die betreffenden Schulungsinhalte in die unten aufgeführten Fähigkeitsschulungen zu integrieren.
Die Schulung bezweckt, Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden oder
zu mindern
Gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Sinne
dieser Bestimmung sind:
1. "im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung" (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI)
Hier müssen unter anderem vermittelt werden: Fähigkeiten zur Körperhygiene ohne optische Kontrolle (Blinde) bzw. bei einer eingeschränkten optischen Kontrolle (Sehbehinderte). Darin eingeschlossen sind unter anderem: Intimhygiene bei Männern und Frauen, Hygiene im Zusammenhang mit dem Monatszyklus, richtige Dosierung und Anwendung von Pflegemitteln, z. B. Hautcreme, Zahnpaste, Haarwaschmittel, das Einkremen, das Zähneputzen und Reinigen von Zahnprothesen, das Kämmen und das Rasieren, Nägel schneiden und reinigen, Reinigung und Pflege von Augenprothesen und Hörgeräten, Selbstversorgung bei Verletzungen (Schnitt- und Brandverletzungen).
Aus dem Gesundheitsbereich kann ferner genannt werden: Einnahme von Medikamenten (Tropfen dosieren, Tabletten sortieren).
2. "im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung" (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI)
Hier muss z. B. vermittelt werden: das Schneiden, Bestreichen und Belegen von Brot, das Schneiden von Speisen, der Umgang mit Besteck, also Löffel und insbesondere Messer und Gabel (Schiebe-, Stech- und Schöpfhaltung), das Eingießen und Umfüllen von Flüssigkeiten ohne optische Kontrolle oder bei eingeschränkter optischer Kontrolle. Vermittelt werden muss die Technik zur Orientierung am Tisch und auf dem Teller. Dazu zählen: sich das Essen servieren, taktile Kontrollmöglichkeiten (wie Tellerrandkontrolle, Messerschneidekontrolle), Würzen bei Tisch. Zu nennen ist auch der Umgang mit verpackten Lebensmitteln (Erkennen und Öffnen verpackter Lebensmittel).
3. "im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung" (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI)
Hierher gehört insbesondere die Mobilität im Bereich der Wohnung (einschließlich Keller, Flur, Eingangsbereich des Hauses). Zu vermitteln sind Körperschutztechniken, Suchtechniken, sowie räumliche Orientierung im Handlungsbereich und die Fähigkeit, Gegenstände zu identifizieren. (Für die selbständige Orientierung und Bewegung außer Haus vgl. oben Ausstattung mit einem weißen Langstock als Hilfsmittel und Schulung im Gebrauch des weißen Langstockes durch den Rehabilitationslehrer für Blinde und Sehbehinderte - Mobilitäts- und Orientierungsschulung bzw. Ausstattung mit einem Blindenführhund.)
Für die Fähigkeit des An- und Auskleidens bedarf es der Schulung u. a. im Auswählen von Kleidungsstücken und im richtigen Ankleiden, einschließlich Strategien z. B. zum Kennzeichnen und zum Sortieren von Kleidungsstücken (Orientierungsstrategien), Umgang mit Verschlüssen und Schleifebinden.
4. "im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen" (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI)
Hier müssen Strategien zum Einkaufen vermittelt werden. Zu nennen sind unter anderem: das Erkennen und Sortieren von Lebensmitteln, bzw. Verpackungen und Kennzeichnung zur Lagerung. Der Umgang mit Geld (Unterscheiden von Münzen und Scheinen). Beim Kochen geht es z. B. um das Markieren der Haushalts- und Kochgeräte und um den richtigen Einsatz der Restsinne (Geruchs-, Tast- und Hörvermögen). Zu nennen sind das Abmessen und Dosieren von flüssigen und festen Lebensmitteln. Vermittelt werden müssen Strategien zum sicheren Umgang mit Hitze, Messer, Schneid- und andere Küchengeräten. Auch für die Reinigung der Wohnung müssen entsprechende Techniken und Strategien vermittelt werden. Es geht darum, Flächen systematisch zu reinigen (Tisch, Fenster, Spiegel, Badewanne, Spülbecken Fußbodenpflege, Toilette). Zur Kleiderpflege z.B. gehören: Kleidung aufhängen, Kleidung zusammenlegen, nach Farben sortieren, waschen, bügeln, Knöpfe annähen, Schuhe putzen.
Für all das sind u. a. der Einsatz des Tastsinnes und die Entwicklung spezifischer Ordnungssysteme erforderlich.
Nach der Rechtsprechung des BSG gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen die Schaffung eines eigenen geistigen und körperlichen Freiraumes, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können (BSG Urteil vom 16.04.1998 - B 3 KR 6/97 r mit weiteren Nachweisen = SozR 3-2500 § 33 Nr. 26.)
Zur Kommunikation müssen Strategien entwickelt werden, um trotz fehlenden Blickkontakts Kontakt zu Mitmenschen aufnehmen zu können. Das ist z. B. auch für die Organisation von Hilfen notwendig. Hierher gehören auch die Schulung im Umgang mit dem Telefon und die Vermittlung zum richtigen Einsatz von Notizgeräten. Es müssen Techniken vermittelt werden, wie ohne optische Kontrolle oder bei eingeschränkter optischer Kontrolle die im Rechtsverkehr erforderliche Unterschrift geleistet, handschriftliche Notizen für sehende Mitmenschen angefertigt und Tastaturen markiert und /oder Automaten bedient werden können.
Bei der Auswahl der Maßnahmen ist von den Bedürfnissen des Betroffenen auszugehen. Gemeinsam mit ihm muss ein Rehabilitationsplan erstellt und erforderlichenfalls angepasst werden.
Aus dem dreistufigen System im SGB V ergibt sich: Nur wenn eine ambulante Krankenbehandlung nicht ausreicht, um die in § 11 Abs. 2 beschriebenen Ziele (Abwendung, Beseitigung, Minderung, Ausgleich , Verhütung von Verschlimmerungen oder Milderung der Folgen einer Behinderung oder Pflegebedürftigkeit) zu erreichen, kann die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen erbringen. Diese Maßnahmen sollen in wohnortnahen Rehabilitationseinrichtungen, oder wenn solche nicht zur Verfügung stehen, in Rehabilitationseinrichtungen, mit welchen ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht, erbracht werden (§ 40 Abs. 1 SGB V).
Erst wenn ambulante Maßnahmen zur Erreichung der oben genannten Ziele nicht ausreichen, können die Krankenkassen stationäre Rehabilitationsmaßnahmen in Rehabilitationseinrichtungen, mit welchen sie einen Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V abgeschlossen haben, veranlassen. Bei stationären Maßnahmen erfolgt neben der Behandlung auch die Unterbringung und Verpflegung in der Einrichtung (§ 40 Abs. 2 SGB V).
Der Inhalt der von den gesetzlichen Krankenkassen zu erbringenden Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation ist § 40 SGB V nicht unmittelbar zu entnehmen.
Die Ziele, Voraussetzungen und Konzeptionen von Rehamaßnahmen sind in den "Gemeinsamen Rahmenempfehlungen für ambulante und stationäre Vorsorge und Rehabilitationsleistungen", die von den Spitzenverbänden der Krankenkassen gemeinsam mit den Spitzenverbänden der Einrichtungsträger am 12. 5. 1999 auf der Grundlage von § 111a SGB V abgeschlossen worden sind, beschrieben. Diese stimmen, obwohl sie vor dem SGB IX erlassen worden sind, inhaltlich mit § 26 SGB IX überein. Weiter ist auf die am 12. 3. 2001 vom medizinischen Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen beschlossenen Begutachtungsrichtlinien "Vorsorge und Rehabilitation" hinzuweisen.
Die in den genannten Richtlinien vertretene Auffassung, die mit § 26 SGB IX inhaltlich übereinstimmt, führt zu folgendem Ergebnis:
Bei der medizinischen Rehabilitation nach § 40 SGB V handelt es sich um komplexe, interdisziplinär und individuell ausgerichtete Leistungen. Sie werden auf der Basis eines ganzheitlich orientierten, dem aktuellen Stand wissenschaftlichen, insbesondere rehabilitationswissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechenden Konzepts erbracht (Nr. 5.2 der Rahmenvereinbarungen).
Die in § 26 abs. 2 enthaltenen einzelnen Leistungen und die in § 26 Abs. 3 aufgeführten einzelnen Hilfen sind als Teile dieser Komplexleistung zu verstehen und von den gesetzlichen Krankenkassen in diesem Rahmen zur Verfügung zu stellen. In dieser Gesamtleistung sind erforderlichenfalls auch lebenspraktische Fähigkeiten zu vermitteln.
Die Maßnahmen können gemäß § 40 Abs. 1 und 2 SGB V in Rehabilitationseinrichtungen, mit welchen ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht, durchgeführt werden. Wenn es sich um vollstationäre Maßnahmen handelt, dürfen sie nur in solchen Einrichtungen erbracht werden (§ 111 Abs. 1 SGB V). Diese Rehaeinrichtungen müssen die Anforderungen nach § 107 Abs. 2 SGB V erfüllen. Die Einrichtungen müssen
Spezielle Rehabilitationseinrichtungen für Blinde und Sehbehinderte, die auch einen Versorgungsvertrag haben, bestehen. Sie sollten in ihre Rehabilitationsmaßnahmen das Training in lebenspraktischen Fähigkeiten aufnehmen. Das entsprechende Fachpersonal müsste natürlich vorhanden sein oder herangezogen werden.
Wenn ein entsprechendes Konzept vorliegt, hat eine vollstationäre Rehabilitationseinrichtung einen Rechtsanspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages. Das ergibt sich aus dem Berufsschutz nach Art. 12 GG (BSG, Urteil vom 23. 7. 2002 - B 3 KR 63/01 R).
Wenn es sich um eine teilstationäre oder ambulante Rehabilitationseinrichtung handelt, erfolgt die Zulassung nicht durch einen Versorgungsvertrag, sondern durch einen Verwaltungsakt. Aber auch an solche Rehabilitationseinrichtungen werden die personellen und sachlichen Anforderungen nach § 107 Abs. 2 SGB V gestellt. Sie müssen also unter ärztlicher Verantwortung stehen. Es muss ein Rehabilitationsplan erstellt werden und multidisziplinäres Fachpersonal muss zur Verfügung stehen. Solche Einrichtungen, die häufig die Bezeichnung "Rehazentrum" tragen, dienen vor allem der wohnortnahen Rehabilitation. Die Art der Zulassung ist für solche teilstationären oder wohnortnahen ambulanten Rehazentren im Gesetz nicht geregelt worden. Es liegt eine Gesetzeslücke vor. Das BSG hat diese Gesetzeslücke geschlossen und festgestellt, dass die Zulassung durch Verwaltungsakt erfolgen muss (Urteil vom 5. 7. 2000 - B 3 KR 12/99 R). Wenn die fachlichen Voraussetzungen gegeben sind, besteht ein Rechtsanspruch auf die Zulassung durch die Krankenkassen. Diese haben den entsprechenden Verwaltungsakt zu erlassen. Daran hat auch § 21 SGB IX nichts geändert, denn diese Bestimmung besagt in Verbindung mit § 19 SGB IX nur etwas zum Inhalt von Versorgungsverträgen, z. B. zur Qualitätssicherung. Eine Änderung des Zulassungssystems nach dem SGB V ist dadurch aber nicht erfolgt. Das ist allerdings höchstrichterlich noch nicht entschieden.
Häufig reichen Maßnahmen der Vermittlung lebenspraktischer Fähigkeiten, wie sie oben beschrieben worden sind als Einzelmaßnahmen aus, um die in § 11 Abs. 2 S. 1 SGB V genannten Ziele der Rehabilitation zu erreichen. Das wird in der Regel auch kostengünstiger sein als die Durchführung im Rahmen einer Maßnahme nach § 40 SGB V und damit dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V entsprechen. Besonders vorteilhaft und zweckmäßig ist es außerdem, dass die LPF-Maßnahme in diesem Fall in häuslicher Umgebung, also im gewohnten Lebensraum durchgeführt werden kann. Dies ist besonders effektiv, weil der persönliche Alltag in diesem Bereich bewältigt werden muss.
Die Frage ist, welche Rechtsgrundlage einschlägig ist.
Zu denken ist an die Gewährung als "ergänzende Leistungen nach § 43 SGB V. Nach dessen Ziffer 2 kann Die Krankenkasse neben den Leistungen, die nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 sowie nach §§ 53 und 54 des Neunten Buches als ergänzende Leistungen zu erbringen sind, wirksame und effiziente Patientenschulungsmaßnahmen für chronisch Kranke erbringen; Angehörige und ständige Betreuungspersonen sind einzubeziehen, wenn dies aus medizinischen Gründen erforderlich ist, wenn zuletzt die Krankenkasse Krankenbehandlung geleistet hat oder leistet.
Es handelt sich um eine Ermessensleistung.
Von den Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation sind diejenigen zur
sozialen Rehabilitation abzugrenzen; denn die Krankenkassen dürfen Leistungen
nicht erbringen die zur allgemeinen sozialen Eingliederung gehören. Der sozialen
Rehabilitation sind zuzuordnen:
Lehrgänge und/oder Maßnahmen im
Einzelunterricht für blinde und sehbehinderte Personen, in welchen Fähigkeiten
und Fertigkeiten vermittelt werden, die zur Teilhabe am Leben in der
Gemeinschaft erforderlich sind. Die Beherrschung von Blinden- bzw.
Sehbehindertentechniken muss dabei beachtet werden. Die Vermittlung muss unter
Berücksichtigung der durch die Blindheit oder Sehbehinderung gegebenen Situation
erfolgen.
Lehrgänge zum Lesen und Schreiben der Blindenschrift, Kochlehrgänge, Lehrgänge zum Erlernen des Tastschreibens (10-Fingersystem), Lehrgänge zur Benutzung moderner Kommunikationstechnologie (PC / Internet), EDV-Lehrgänge, häusliches und technisches Werken, Hobbywerken (z.B. Nähen mit der Nähmaschine), Erschließung von Freizeitaktivitäten. Vgl. auch unten 3.2.5.
Als Leistungserbringer für Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation im Bereich "Vermittlung lebenspraktischer Fähigkeiten kommen speziell ausgebildete Rehabilitationslehrer für Blinde und Sehbehinderte in Frage. Zugangsvoraussetzungen für die Ausbildung zum Rehabilitationslehrer (LPF) ist eine grundständige Ausbildung in einem pädagogischen, sozialen, therapeutischen oder sozialmedizinischen Beruf.
Wenn Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation als Folge eines Berufsunfalls erforderlich werden, ist das Spezialgesetz, das nach § 7 SGB IX heranzuziehen ist, das SGB VII - Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung.
Aufgabe der gesetzlichen Unfallversicherung ist gemäß § 1 SGB VII nach Maßgabe der Vorschriften dieses Gesetzes
Wer in der Unfallversicherung versichert ist, ist dem ersten Kapitel, zweiten Abschnitt (§§ 2 ff) zu entnehmen. Danach gehören zum Versichertenkreis nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Kinder, die eine Kindertagesstätte besuchen, Schüler, Auszubildende und Studenten, sowie ehrenamtlich z. B. im Bereich der Wohlfahrtspflege tätige Personen, Nothelfer, und viele andere mehr.
Damit eine Leistungspflicht der gesetzlichen Unfallversicherung eintritt, muss ein durch einen Versicherungsfall verursachter Schaden eingetreten sein. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (SGB VII § 7). Der Arbeitsunfall muss sich bei einer geschützten Tätigkeit oder bei der Zurücklegung des Arbeitsweges ereignet haben (SGB VII § 8). Das schädigende Ereignis braucht nicht alleinige Bedingung für den Schaden gewesen zu sein, aber es muss sich um eine wesentliche Bedingung gehandelt haben. D. h. Wenn mehrerere Bedingungen gegeben waren, werden als ursächlich nur die Bedingungen anerkannt, die wesentlich zum Erfolg (z. B. zur Erblindung) mitgewirkt haben. Dabei sind die Mitursachen wertend gegeneinander abzuwägen. Es reicht aus, dass der Arbeitsunfall neben anderen Bedingungen, z. B. körperliche Disposition, eine mindestens gleichwertige Mitursache ist. Unterschieden werden dabei die Bedingungen, die zum Schaden geführt haben (Schadensbegründende Bedingungen) und diejenigen, die für den Umfang des Schadens maßgebend sind (schadensausfüllende Bedingungen).
Die Leistungen nach Eintritt eines Versicherungsfalls sind dem dritten Kapitel zu entnehmen. Nach § 26 haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des Neunten Buches Anspruch auf Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, auf ergänzende Leistungen, auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit sowie auf Geldleistungen. Sie können einen Anspruch auf Ausführung der Leistungen durch ein Persönliches Budget nach § 17 Abs. 2 bis 4 des Neunten Buches in Verbindung mit der Budgetverordnung und § 159 des Neunten Buches haben; dies gilt im Rahmen des Anspruches auf Heilbehandlung nur für die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.
In § 26 Abs. 2 SGB VII werden als allgemeiner Grundsatz die Ziele der Prävention und Rehabilitation deutlicher als auf anderen Rechtsgebieten herausgestellt. Der Unfallversicherungsträger hat nach § 26 Abs. 2 mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig
Nach SGB 7 § 27 Abs. 1 umfasst die Heilbehandlung u. A.
§ 26 Abs. 2 Nr. 1 und 3 bis 7 und Abs. 3 des Neunten Buches.
Auf § 26 SGB IX wird somit ausdrücklich verwiesen.
Die Ausstattung mit Hilfsmitteln ist in § 31 SGB VII geregelt. Sie umfasst praktisch alle auch durch die gesetzliche Krankenversicherung zu gewährenden Hilfsmittel (s. o. 3.2.1.2), geht aber darüber hinaus, weil sie auch "andere Hilfsmittel" umfasst. So werden im Bedarfsfall auch die Kosten für eine Blindenschriftmaschine sowie die Kosten für einen PC und nicht nur die Kosten für eine behinderungsbedingte Zusatzausstattung übernommen. Für Tonaufnahme- und Wiedergabegeräte sowie Tonträger wird ein Zuschuss von 80 % gewährt.
Die Einzelheiten werden in einer Rechtsverordnung und in Richtlinien der Verbände der Unfallversicherungsträger geregelt (vgl. Verordnung über die orthopädische Versorgung Unfallverletzter - (OrthVersorgUVV). Nach den gemeinsamen Richtlinien der Unfallversicherungsträger über Hilfsmittel (Unfallversicherungshilfsmittelrichtlinien) sind die Versicherten mit den Hilfsmitteln zu versorgen, die wegen des Gesundheitsschadens erforderlich sind. Diese sollen eine drohende Behinderung abwenden, ausgefallene Körperfunktionen ersetzen, beeinträchtigte ausgleichen und die Auswirkungen im medizinischen, beruflichen, schulischen und sozialen Bereich erleichtern. So werden auch Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, die der Überwindung der Verletzungsfolgen dienen, geleistet. Auch die in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 12 SGB V geltenden Grenzen finden in der gesetzlichen Unfallversicherung keine Anwendung. Die gesetzliche Unfallversicherung kennt im Gegensatz zur gesetzlichen Krankenversicherung z.B. auch keine Zuzahlungen bei Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (vgl. einerseits §§ 29 bis 31 SGB VII, andererseits § 31 Abs. 3, § 32 Abs. 2, § 33 Abs. 2 Satz 5 SGB V). Das bedeutet, dass hinsichtlich des Umfangs des Gebrauchs, z. B. beim Lese-Sprechgerät oder beim Farberkennungsgerät die von der Rechtsprechung zum SGB V gezogenen Grenzen (vgl. oben 3.2.1.2) nicht gelten (vgl. BSG 2. Senat Urteil vom 22. Juni 2004, Az: B 2 U 11/03 R = SozR 4-0000 zu den Kosten der Stromversorgung für einen Elektrorollstuhl).
Nach § 2 Abs. 2 der Orthversorguvv erhalten Versicherte, die infolge eines Versicherungsfalls erblindet sind, zum Unterhalt eines Blindenführhunds oder zu den Aufwendungen für fremde Führung einen monatlichen Zuschuss in Höhe des in § 14 des Bundesversorgungsgesetzes jeweils festgesetzten Betrags. Über die Hilfsmittelversorgung hinaus wird eine Entschädigung für erhöhten Kleiderverschleiß entsprechend der Regelung in § 15 BVG gewährt (Ortversorguvv § 7).
Dem Unfallversicherungsträger ist hinsichtlich der Art und des Umfanges der Versorgung mit Hilfsmitteln und Hilfen ein Auswahlermessen eingeräumt, soweit nicht die OrthversorguVV eine abschließende Regelung trifft. Der Unfallversicherungsträger hat sein Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 SGB I). Die Ausübung des Ermessens hat sich an dem "mit allen geeigneten Mitteln" anzustrebenden Rehabilitationsziel auszurichten. Dabei sind Art und Schwere des Gesundheitsschadens, die persönlichen, familiären, beruflichen und schulischen Verhältnisse der Versicherten, ihr Bedarf, ihre Leistungsfähigkeit, die örtlichen Verhältnisse sowie ihre angemessenen Wünsche zu berücksichtigen (§ 33 SGB I; Nr. 3.2 der Hilfsmittelrichtlinien).
An wertvollen Hilfsmitteln kann sich der UV-Träger das Eigentum vorbehalten (§ 4 Orthversorguvv). Die Lieferung des Hilfsmittels kann davon abhängig gemacht werden, dass der Verletzte sich, um mit dem Gebrauch vertraut zu werden, auf Kosten des UV-Trägers einer erforderlichen Ausbildung unterzieht (§ 5 Orthversorguvv).
Zu Hilfsmittel für Blinde und Sehbehinderte wird in den Hilfsmittelrichtlinien der Unfallversicherungsträger u. a. bestimmt:
Wenn in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 36 SGB V Festpreise festgesetzt sind, gelten diese auch für die Träger der Unfallversicherung (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 3 SGB VII). Diese sind in der gesetzlichen Unfallversicherung jedoch nur dann leistungsbegrenzend, wenn die zu diesen Festbeträgen gelieferten Hilfsmittel die Unfallfolgen optimal ausgleichen oder mildern, d. h. so gut das nach dem neuesten medizinischen und technischen Stand möglich ist (vgl. Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht 8. Senat Urteil vom 19. Dezember 2001, Az: L 8 U 80/01 = HVBG-INFO 2002, 729-738).
Die Maßnahmen zur Vermittlung lebenspraktischer Fähigkeiten können durch den Unfallversicherungsträger entweder ambulant oder stationär erbracht werden.
Auf § 26 Abs. 3 SGB IX wird in § 27 Nr. 6 SGB VII ausdrücklich verwiesen, so dass auf dessen Ziffer 6 "Training lebenspraktischer Fähigkeiten" als Anspruchsgrundlage zurückgegriffen werden kann.
Der Unfallverletzte hat einen Anspruch auf eine optimale Heilbehandlung und Rehabilitation. Deshalb muss in der gesetzlichen Unfallversicherung auch nicht zwischen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Maßnahmen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft streng unterschieden werden. Die Leistungen werden aus einer Hand gewährt.
Für die Maßnahmen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft kann über § 39 Abs. 1 Nr. 2 SGB 7 (sonstige Leistungen) auf den Katalog in § 55 Abs. 2 SGB 9 zurückgegriffen werden. Dort sind diese Leistungen in einem nicht abgeschlossenen Katalog aufgelistet.
Stationär werden die Leistungen erbracht, wenn eine ambulante Behandlung nicht ausreicht (SGB VII § 33). Das bedeutet, dass sie vorrangig ambulant durchgeführt werden.
Das Spezialgesetz, auf welches nach § 7 SGB IX zurückgegriffen werden muss, ist das Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Das BVG ist für Kriegsbeschädigte im sinn der §§ 1 ff BVG einschlägig, also für Schäden, die im Zusammenhang mit Kriegsdienst oder Schäden, die im Zusammenhang mit Kriegsereignissen entstanden sind.
Auf das BVG wird in den in § 68 Nr. 7 SGB I aufgeführten Gesetzen verwiesen (vgl. im Einzelnen dort) Es ist deshalb u. a. für die Entschädigung, die auf Grund folgender Gesetze zu gewähren ist, maßgebend:
- Infektionsschutzgesetz - IfSG vom 20. Juli 2000 (: BGBl I 2000, 1045).
Nach § 60 des Infektionsschutzgesetzes erhält, Wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die
eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt.
- das Soldatenversorgungsgesetz (SVG).
Im dritten Teil ist die Beschädigtenversorgung geregelt. Nach SVG § 80 erhält Ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, soweit im Soldatenversorgungsgesetz nichts Abweichendes bestimmt ist. Entsprechend erhalten eine Zivilperson, die eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, und die Hinterbliebenen eines Beschädigten auf Antrag Versorgung. Was eine Wehrdienstbeschädigung ist, regelt § 81 Soldatenversorgungsgesetz.
- Das Bundesgrenzschutzgesetz (BGSG). In § 59 Abs. 1 wird auf das BVG verwiesen.
- Das Zivildienstgesetz.
Nach ZDG § 47 Abs. 1 erhält Ein Dienstpflichtiger, der eine Zivildienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Dienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, soweit im Zivildienstgesetz nichts Abweichendes bestimmt ist. In gleicher Weise erhalten die Hinterbliebenen eines Beschädigten auf Antrag Versorgung.
Zivildienstbeschädigung ist nach § 47 Abs. 2 Zivildienstgesetz eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Dienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Zivildienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Zivildienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist.
- Das Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten Opferentschädigungsgesetz (OEG) vom 11. Mai 1976 (BGBl I 1976, S. 1181), geändert durch Art. 10 Nr. 11 G v. 30. 7. 2004 (BGBl I S. 195).
§ 1 OEG bestimmt (1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Die weiteren Absätze enthalten noch zahlreiche Details.
Grund für den Entschädigungsanspruch ist die Verantwortlichkeit des Staates für Sicherheit und Ordnung. § 2 enthält deshalb Versagungsgründe für Fälle, in welchen die Verantwortung für den Schaden dem Verletzten selbst zuzurechnen ist.
Wie im gesamten Sozialrecht ist für die Anspruchsbegründung die Kausallehre von der wesentlichen Bedingung maßgebend (vgl. oben 3.2.2).
Zur Ausstattung mit Hilfsmitteln wird auf Hennis: "Blinde im geltenden Recht, S. 56 ff Kap. 5 Soziales Entschädigungsrecht" hingewiesen. Der Umfang der Versorgung nach dem BVG ist dessen § 9 zu entnehmen. Danach umfasst Die Versorgung:
Rechtsgrundlage für die Ausstattung mit Hilfsmitteln ist § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 BVG. Die Vorschriften der gesetzlichen Krankenkasse gelten nach § 11 Abs. 1 S. 2 entsprechend, soweit das BVG nicht etwas anderes bestimmt. Für die Ausstattung mit Hilfsmitteln kann deshalb auf die Ausführungen unter 3.2.1.2 verwiesen werden. Der Anspruch auf Ausstattung mit Hilfsmitteln geht jedoch weiter (vgl. z. B. § 11 Abs. 3 Nr. 3 BVG i. V.. m. § 35 OrthV - Zuschuss für einen Hundezwinger zur Unterbringung des Blindenführhundes). Nach § 14 BVG wird zum Unterhalt eines Blindenführhundes ein Futtergeld oder wenn kein Führhund gehalten wird, ein Führgeld gewährt. Nach § 15 erhalten Beschädigte, darunter auch Blinde, einen monatlichen Pauschbetrag wenn die anerkannten Folgen der Schädigung außergewöhnlichen Verschleiß an Kleidung oder Wäsche, verursachen.
Einzelheiten zur Hilfsmittelversorgung sind in § 13 BVG und in der Verordnung über die Versorgung mit Hilfsmitteln und über Ersatzleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (Orthopädieverordnung - OrthV) geregelt. In § 1 Abs. 1der OrthV werden als Hilfsmittel neben den Körperersatzstücken und orthopädischen Hilfsmitteln auch "andere Hilfsmittel" genannt. Nach § 17 Abs. 2 OrthV werden Als Sehhilfen Fernrohrbrillen, Lupen und Bildschirm-Lesegeräte geliefert. Bildschirm-Lesegeräte erhalten hochgradig sehbehinderte Menschen, die zum Lesen oder zur Schreibkontrolle dringend auf sie angewiesen sind. Lese-Sprechgeräte für Blinde werden nach § 17a Abs. 2 OrthV gewährt. Dazu vgl. auch Urteil des BSG vom 28. Mai 1997, Az: 9 RV 18/96 - SozR 3-3100 § 13 Nr. 2. Der Leitsatz dieser Entscheidung lautet: "1. Ein Lesesprechgerät ist einem Kriegsblinden schon dann nach § 13 BVG und § 1 iVm §§ 16ff OrthV zu liefern, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen eine Krankenkasse einem vergleichbaren Mitglied das Gerät als Hilfsmittel zu leisten hätte. Strengere Leistungsvoraussetzungen der OrthV, insbesondere ein verschärfter Bedarfsmaßstab ("dringendes Angewiesensein"), haben insoweit außer Betracht zu bleiben, weil sie gegen die ihnen zugrundeliegende Ermächtigungsnorm (§ 24a Buchst a BVG) verstoßen." Zu den "sonstigen Gebrauchsgegenständen bestimmt § 18 Abs. 1 OrthV: "(1) Sonstige Hilfsgeräte, die besonders für behinderte Menschen entwickelt worden sind, sowie behinderungsgerechte Änderungen von Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens oder Zusatzausstattungen erhält, wer bei nichtberuflichen Verrichtungen im täglichen Leben dringend auf sie angewiesen ist, um Folgen der Behinderung zu erleichtern. Unter den gleichen Voraussetzungen kann ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens in Sonderausführung für behinderte Menschen geliefert werden, wenn Änderungen oder Zusatzausstattungen nicht ausreichen. Unter den Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 kann ausnahmsweise ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens in Normalausführung geliefert werden, wenn der behinderte Mensch ihn ohne die Behinderung nicht erwerben würde. …" Ein Beispiel für einen solchen Gebrauchsgegenstand ist ein Personalcomputer. Der Beschädigte muss auf ihn zu alltäglichen Verrichtungen dringend angewiesen sein. So wurde die Ausstattung mit einem Personalcomputer für schriftstellerische Betätigung abgelehnt (BVG Urteil vom 9. April 1997 Az: 9 RV 23/95 = SozR 3-3100 § 11 Nr. 2). Weiter sind zu nennen: für Blindenuhren (18 Abs. 2 Orthv, Schreibmaschinen und Blindenschriftmaschinen (§ 18 Abs. 3), Verkehrsschutzzeichen z. B. weiße Stöcke (§ 18 Abs. 4), Zuschüsse zu Tonaufzeichnungsgeräten, Taschendiktiergeräten und Tonträgern (§ 36).
Der nach dem BVG Berechtigte hat einen Anspruch auf eine optimale Heilbehandlung und Rehabilitation. Deshalb muss auch nicht streng zwischen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Maßnahmen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft unterschieden werden. Die Leistungen werden allerdings auf Grund der historischen Entwicklung nicht aus einer Hand gewährt. Organisatorisch ist die Versorgung aufgespalten, verschiedenen Behörden übertragen und in Streitfällen auf verschiedene Rechtswege zur Sozial- und zur Verwaltungsgerichtsbarkeit aufgeteilt. Die Zuständigkeiten liegen für Heilung Krankenbehandlung wie für Renten (§§ 10-24 a, 29 ff. BVG) bei Versorgungsämtern, für Leistungen der Kriegsopferfürsorge (§§ 25-27 i) bei Hauptfürsorgestellen. Allen Erkenntnissen über Rehabilitation als einheitlichem Vorgang zum Trotz, ist diese Trennung noch immer beibehalten worden.
§ 10 Abs. 1 BVG bestimmt: Heilbehandlung wird Beschädigten für Gesundheitsstörungen, die als Folge einer Schädigung anerkannt oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden sind, gewährt, um die Gesundheitsstörungen oder die durch sie bewirkte Beeinträchtigung der Berufs- oder Erwerbsfähigkeit zu beseitigen oder zu bessern, eine Zunahme des Leidens zu verhüten, Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten, körperliche Beschwerden zu beheben, die Folgen der Schädigung zu erleichtern oder um den Beschädigten entsprechend den in § 4 Abs. 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch genannten Zielen eine möglichst umfassende Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen. Ist eine Gesundheitsstörung nur im Sinne der Verschlimmerung als Folge einer Schädigung anerkannt, wird abweichend von Satz 1 Heilbehandlung für die gesamte Gesundheitsstörung gewährt, es sei denn, dass die als Folge einer Schädigung anerkannte Gesundheitsstörung auf den Zustand, der Heilbehandlung erfordert, ohne Einfluss ist.
Deshalb besteht auf jeden Fall ein Anspruch auf die Vermittlung lebenspraktischer Fähigkeiten zur bewältigung des Alltags, wie sie unter 3.2.1.3 beschrieben sind.
Die Maßnahmen können im Rahmen von Rehabilitationsleistungen stationär durchgeführt werden (BVG § 11 Abs. 1 Nr. 6). Stationäre Rehabilitationsmaßnahmen führt der Bund der Kriegsblinden Deutschland e. V. seit vielen Jahren in speziellen Rehabilitationszentren durch. Die lebenspraktischen Fähigkeiten können aber auch ambulant als ergänzende Leistungen zur Rehabilitation vermittelt werden (§ 11 Abs. 5 BVG). Es gelten die Vorschriften für die entsprechenden Leistungen der Krankenkasse (§ 18c Abs. 2 Satz 1 BVG). Rechtsgrundlage für die Eingliederungshilfe ist § 27d Abs. 1 Nr. 3 BVG.
Vor allem für Angehörige des öffentlichen Dienstes können sich Ansprüche auf Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation aus dem Beihilferecht sowie aus einer ergänzenden privaten Krankenversicherung ergeben.
Die Krankenfürsorge für Beamte, Richter und Versorgungsempfänger in Bund, Ländern und Kommunen ist ein eigenständiges Krankensicherungssystem. Es ergänzt die Alimentation des Dienstherrn und tritt an die Stelle des Arbeitgeberzuschusses zur gesetzlichen Krankenversicherung bei Arbeitnehmern.
Rechtsgrundlage für Bedienstete des Bundes sind Die Beihilfevorschriften des Bundes (BhV) in der Fassung der 26. allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften vom 1. November 2001. Sie sind als allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundesinnenministeriums aufgrund der Ermächtigung in § 200 Bundesbeamtengesetz (BBG) erlassen und regeln die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen, bei Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten, bei Schutzimpfungen, Sanatoriums- und Kuraufenthalten.
Für die Länder gilt folgendes: Das Beihilferecht ist nicht bundeseinheitlich
geregelt. Einige Länder wenden die BhV an (Bayern, Berlin, Brandenburg,
Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen,
Sachsen, Sachsen-Anhalt,
Schleswig-Holstein und Thüringen). Die Länder Baden-Württemberg, Saarland und
Hamburg haben zwar eigene Vorschriften, diese orientieren sich aber inhaltlich
an den Bundesregelungen. In den Ländern Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen und
Rheinland-Pfalz sind die Unterschiede stärker. Dort gelten eigenständige
Regelungen, die überwiegend als Rechtsverordnungen erlassen worden sind.
Auf die Beihilfe besteht ein Rechtsanspruch. Sie wird nur zu beihilfefähigen Aufwendungen der beihilfeberechtigten Personen oder ihrer berücksichtigungsfähigen Angehörigen oder als Pauschale gewährt (§ 1 Abs. 3 und 4). Beihilfeberechtigt sind Beamte, Richter, Versorgungsempfänger, Witwen, Witwer und bestimmte Kinder (§ 2).
Durch die Beihilfe werden notwendige und angemessene Krankheitskosten in einem nach Vomhundertsätzen festgelegten Umfang anteilig erstattet, den sog. Bemessungssätzen, die personenbezogen gestaffelt sind.
Nach den Beihilfevorschriften des Bundes beträgt der Bemessungssatz für Beihilfeberechtigte 50 v. H. (bei zwei und mehr Kindern 70 v. H.), für Versorgungsempfänger und berücksichtigungsfähige Ehegatten 70 v. H. und für Kinder 80 v. H. Für den verbleibenden Rest hat der Beamte aus den Dienstbezügen selbst Vorsorge zu treffen. In erster Linie kommt eine Versicherung bei privaten Krankenversicherungsunternehmen in Betracht, weil diese auf die Beihilfe abgestellte Prozenttarife anbieten (vgl. 3.2.4.2).
Beihilfefähig sind Aufwendungen, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind (§ 5 BHV).
Wenn bestimmte anderweitige Ansprüche bestehen, darunter insbesondere auf Krankenbehandlung als Pflichtversicherter einer gesetzlichen Krankenkasse werden die gewährten Leistungen vor Berechnung der Beihilfe in voller Höhe von den beihilfefähigen Aufwendungen abgezogen. In diesen Fällen wird in der Regel also keine Beihilfe geleistet. Sind zustehende Leistungen bei der Krankenkasse nicht in Anspruch genommen worden, so sind sie trotzdem bei der Festsetzung der Beihilfe wie folgt zu berücksichtigen: Aufwendung für Arznei und Verbandmittel in voller Höhe, andere Aufwendungen nach einer bestimmten Berechnung, u. U. in Höhe von 50 v. H. der zustehenden Leistung (hierzu im Einzelnen § 5 Abs. 3 Sätze 3 und 4 BHV). Diese Einschränkungen gelten u.a. nicht für Leistungen aus einer freiwilligen Versicherung bei einer gesetzlichen Krankenkasse. Nimmt demnach der Versicherte die Versicherung nicht in Anspruch, erhält er für seine Aufwendungen, soweit sie beihilfefähig sind, Beihilfe. Schließlich gibt es noch eine Ausnahme für Leistungen eines Heilpraktikers: Sie sind auch für pflichtversicherte Personen beihilfefähig (§ 5 Abs. 3 Sätze 5 und 6 BHV). Diese Bestimmungen zeigen, dass die Beihilfeleistungen gegenüber den Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse subsidiär sind. Gegenüber den Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII gehen sie vor.
Die Beihilfeleistungen weichen zum Teil von den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ab. Da es sich beim Beihilferecht um einen eigenen Regelungsbereich handelt, ist darin kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG zu sehen.
Die beihilfefähigen Aufwendungen sind in den §§ 6 bis 12 und den dazu ergangenen Anlagen aufgeführt.
Für Hilfsmittel heißt es in § 6 Abs. 1 Nr. 4: "Anschaffung (ggf. Miete), Reparatur, Ersatz, Betrieb und Unterhaltung vom Arzt schriftlich verordneter Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und zur Selbstkontrolle, Körperersatzstücke sowie die Unterweisung im Gebrauch dieser Gegenstände. Voraussetzungen und Umfang der Beihilfefähigkeit bestimmen sich nach Anlage 3 ..."
Zur Beihilfefähigkeit von Hilfsmitteln enthält die Anlage 3 (zu § 6 Abs. 1 Nr. 4) in Nr. 1 einen umfangreichen Katalog. An Hilfsmitteln für blinde und hochgradig Sehbehinderte Menschen sind aufgeführt:
Die Beihilfefähigkeit von Sehhilfen ist in Nr. 11 ausführlich geregelt. Für vergrößernde Sehhilfen heißt es untern Nr. 11.5 2: "Lässt sich durch Verordnung einer Brille oder von Kontaktlinsen das Lesen normaler Zeitungsschrift nicht erreichen, können Aufwendungen für eine vergrößernde Sehhilfe (Lupe, Leselupe, Leselineale, Fernrohrbrille, Fernrohrlupenbrille, elektronisches Lesegerät, Prismenlupenbrille u. Ä.) als beihilfefähig anerkannt werden."
Die Ausstattung mit Langstöcken und anderen Mobilitätshilfen für blinde Menschen und die Ausbildung im Gebrauch dieser Hilfsmittel (Mobilitätstraining) ist in Nr. 13 der Anlage 3 im einzelnen geregelt:
"1 Aufwendungen für Blindenhilfsmittel sowie die erforderliche Unterweisung im Gebrauch (Mobilitätstraining) sind in folgendem Umfang beihilfefähig:
a) Anschaffungen zweier Langstöcke sowie gegebenenfalls elektronischer Blindenleitgeräte nach ärztlicher Verordnung,
b) Aufwendungen für eine Ausbildung im Gebrauch des Langstockes sowie für eine Schulung in Orientierung und Mobilität bis zu folgenden Höchstbeträgen:
aa) Unterrichtsstunde a 60 Minuten, einschließlich 15 Minuten Vor- und Nachbereitung sowie der Erstellung von Unterrichtsmaterial bis zu 100 Stunden, 56,43 EUR bb) Fahrzeitentschädigung je Zeitstunde, wobei jede angefangene Stunde im 5-Minuten Takt anteilig berechnet wird, 44,87 EUR<7p>
cc) Fahrtkostenerstattung für Fahrten des Trainers je gefahrenen Kilometer oder die niedrigsten Kosten eines regelmäßig verkehrenden Beförderungsmittels, 0,30 EUR dd) Ersatz der notwendigen Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung des Trainers, soweit eine tägliche Rückkehr zum Wohnort des Trainers nicht zumutbar ist. 26,00 EUR 2 Das Mobilitätstraining erfolgt grundsätzlich als Einzeltraining und kann sowohl ambulant als auch in einer Spezialeinrichtung (stationär) durchgeführt werden. 3Werden an einem Tag mehrere Blinde unterrichtet, können die genannten Aufwendungen des Trainers nur nach entsprechender Teilung berücksichtigt werden.
c) Aufwendungen für ein erforderliches Nachtraining (z. B. bei Wegfall eines noch vorhandenen Sehrestes, Wechsel des Wohnortes) entsprechend Buchstabe b.
d) 1Aufwendungen eines ergänzenden Trainings an Blindenleitgeräten können in der Regel bis zu 30 Stunden gegebenenfalls einschließlich der Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie notwendiger Fahrkosten des Trainers in entsprechendem Umfang anerkannt werden. 2Die Anerkennung weiterer Stunden ist bei entsprechender Bescheinigung der Notwendigkeit möglich.
2 Die entstandenen Aufwendungen sind durch eine Rechnung einer
Blindenorganisation nachzuweisen. 3Ersatzweise kann auch eine unmittelbare
Abrechnung durch den Mobilitätstrainer akzeptiert werden, falls dieser zur
Rechnungsstellung gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen berechtigt ist.
4
Sofern Umsatzsteuerpflicht besteht (es ist ein Nachweis des Finanzamtes
vorzulegen), erhöhen sich die beihilfefähigen Aufwendungen um die jeweils
gültige Umsatzsteuer."
Im Wesentlichen sind die gleichen Hilfsmittel beihilfefähig, wie nach § 31 SGB IX. Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens scheiden aus. Das ist auch Nr. 9 der Anlage 3 zu entnehmen. Dort heißt es: "9. Zu den Hilfsmitteln gehören nicht Gegenstände, die nicht notwendig und angemessen (§ 5 Abs. 1), von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis (§ 6 Abs. 4 Nr. 3) sind oder der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen, …". In einer nicht abgeschlossenen Liste (eingeleitet mit "insbesondere:") werden zahlreiche Hilfsmittel aufgeführt, die nicht beihilfefähig sind. Darunter befinden sich:
Über die Beihilfefähigkeit der Aufwendung für Hilfsmittel, die weder in der Anlage 3 aufgeführt noch den aufgeführten Hilfsmitteln vergleichbar sind, entscheidet nach Nr. 10 der Anlage 3 die oberste Dienstbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern. Das Bundesinnenministerium kann das Einvernehmen bei einzelnen Hilfsmitteln oder bei Gruppen von Hilfsmitteln allgemein (also abgesehen vom Einzelfall) erklären.
Private Krankenversicherungen sind für Personen wichtig, die keinen Schutz durch die gesetzliche Krankenversicherung haben, also insbesondere für selbständig Tätige. Außerdem spielen sie als Ergänzung zur Beihilfeberechtigung (vgl. 3.2.4.1) eine große Rolle. Die Versicherungsbedingungen sehen häufig bei Vorerkrankungen oder Behinderungen, die bereits bei Abschluss des Versicherungsvertrages vorhanden sind, Leistungsausschlüsse oder Risikozuschläge vor.
Inwieweit eine private Krankenversicherung Kosten für die Ausstattung mit Hilfsmitteln oder für die Vermittlung lebenspraktischer Fähigkeiten übernehmen muss, hängt von deren Tarif ab.
Wenn im Tarif bestimmt ist, dass sich die Leistung nach der Beihilfeberechtigung richtet, sind die Beihilferichtlinien maßgebend.
Wenn der in den Versicherungsbedingungen aufgeführte Leistungskatalog nicht eindeutig abschließend formuliert ist, wird er von der Rechtsprechung nur als beispielhafte Aufzählung gewertet.
Gegenstand dieses Kapitels sind die Versorgung mit Hilfsmitteln und die Vermittlung lebenspraktischer Fähigkeiten und Fertigkeiten im Rahmen des Sozialhilferechts. Diese Bereiche umfassen die Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation. Sie reichen aber im Wege der Eingliederungshilfe darüber hinaus. Das SGB XII hält Hilfen für eine umfassende Rehabilitation bereit.
Die Krankenbehandlung wird im SGB XII im fünften Kapitel "Hilfen zur Gesundheit" geregelt. § 48 SGB XII verweist auf das SGB V (gesetzliche Krankenversicherung), 3. Kapitel (Leistungen der Krankenversicherung), Fünfter Abschnitt (Leistungen bei Krankheit), Erster Titel (Krankenbehandlung) mit den §§ 27 bis 43b. Damit erfolgt auch eine Verweisung auf § 33 (Hilfsmittel), § 40 (Leistungen zur medizinischen Rehabilitation) und § 43 (ergänzende Leistungen zur Rehabilitation). Nach § 52 Abs. 1 SGB XII entsprechen die Leistungen denen der gesetzlichen Krankenversicherung. Mit betrachtet müssen die Bestimmungen der Eingliederungshilfe im sechsten Kapitel des SGB XII werden. Im Rahmen der Eingliederungshilfe wird in § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII ausdrücklich auf § 26 SGB IX (Leistungen zur medizinischen Rehabilitation) mit seinem umfangreichen Maßnahmekatalog verwiesen. In § 54 Abs. 1 S. 2 wird dann jedoch klargestellt, dass Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation jeweils den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen.
Deshalb kann auf die Ausführungen zur Versorgung mit Hilfsmitteln und zur Vermittlung lebenspraktischer Fähigkeiten durch die gesetzlichen Krankenkassen auf Grund des SGB V (2.2.1.2 und 2.2.1.3) verwiesen werden.
Erweiterungen der Leistungen erfolgen aber über die Eingliederungshilfe.
Die Ausstattung mit Hilfsmitteln durch den Sozialhilfeträger geht weiter als die der gesetzlichen Krankenkassen nach § 33 SGB V: Im Rahmen der Eingliederungshilfe werden Berechtigte beim Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen vom Sozialhilfeträger nämlich auch mit "anderen Hilfsmitteln" (als mit denen nach § 33 SGB V) ausgestattet. Das ergibt sich daraus, dass in § 54 SGB XII auf § 55 SGB IX verwiesen wird. Näheres regelt die Verordnung nach § 60 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Eingliederungshilfe-Verordnung). In § 9 Abs. 1 der Eingliederungshilfe-verordnung heißt es dazu: "(1) Andere Hilfsmittel im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit den §§ 26, 33 und 55 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch sind nur solche Hilfsmittel, die dazu bestimmt sind, zum Ausgleich der durch die Behinderung bedingten Mängel beizutragen." Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist hierfür nicht entscheidend, ob das Hilfsmittel in erster Linie zum Ausgleich von Behinderungen geschaffen worden ist und ob es nur oder vorwiegend für Behinderte gedacht ist, sondern nur, ob es im Einzelfall geeignet ist, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern (BVerwG, Urt. v. 16.11.1972, FEVS 21, 81, 84).
Nach einem nicht abgeschlossenen Katalog in § 9 Abs. 2 werden als Hilfsmittel für blinde oder wesentlich sehbehinderte Menschen u. A. genannt: Schreibmaschinen für Blinde Menschen, Verständigungsgeräte für Taubblinde, Blindenschrift-Bogenmaschinen, Blindenuhren mit Zubehör, Blindenweckuhren, Tonbandgeräte mit Zubehör für Blinde, Blindenführhunde mit Zubehör und besondere optische Hilfsmittel, vor allem Fernrohrlupenbrillen. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 12 der Eingliederungshilfe-Verordnung gehören zu den Hilfsmitteln auch Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens und zur nichtberuflichen Verwendung bestimmte Hilfsgeräte für behinderte Menschen, wenn der behinderte Mensch wegen Art und Schwere seiner Behinderung auf diese Gegenstände angewiesen ist. So hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil vom 31. 8. 1995 Einen blindengerechten Personal-Computer als "anderes Hilfsmittel" gewertet und den Sozialhilfeträger verpflichtet, einen blinden Studenten mit diesem Hilfsmittel auszustatten, wenn er für sein Studium darauf angewiesen ist (BVerwG Urteil vom 31. August 1995, Az: 5 C 9/94 = NJW 1996, 2588-2591). Der Begriff der "anderen Hilfsmittel" in § 9 Abs. 1 Eingliederungshilfeverordnung ist nach dieser Entscheidung "entwicklungsoffen auszulegen. Er lässt Raum für neue technische Mittel der elektronischen Texterfassung und Textverarbeitung, die dazu bestimmt und geeignet sind, zum Ausgleich der durch Blindheit bedingten Mängel beizutragen." Während die Ausstattung eines blinden Menschen mit einem Computer nicht zur Verpflichtung der gesetzlichen Krankenkasse gehört, kann der Sozialhilfeträger dazu durchaus verpflichtet sein. Die Versorgung mit einem "anderen Hilfsmittel" wird nach § 9 Abs. 3 Eingliederungshilfeverordnung nur gewährt, wenn das Hilfsmittel im Einzelfall erforderlich und geeignet ist, zum Ausgleich der durch die Behinderung bedingten Mängel beizutragen und wenn der behinderte Mensch das Hilfsmittel bedienen kann. Es findet also eine Einzelfallprüfung statt. Zur Ausstattung gehört gegebenenfalls auch die Schulung im Gebrauch (§ 10 Abs. 1 der Eingliederungshilfeverordnung).
Im Rahmen der Eingliederungshilfe können nicht nur lebenspraktische Fähigkeiten, sondern auch lebenspraktische Fertigkeiten als Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft geleistet werden (§ 54 SGB XII, §§ 55 ff SGB IX,).
§ 16 der Eingliederungshilfeverordnung bestimmt: "Zu den Maßnahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gehören auch (Anmerkung: Die in Klammern gesetzten Erläuterungen wurden von den Verfassern eingefügt):
Das für die Sozialhilfe geltende Nachrangprinzip muss beachtet werden. Dazu bestimmt § 2 Abs. 1:
"(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält."
Nach diesem Subsidiaritätsprinzip gehen die Leistungen der anderen Rehabilitationsträger, also der gesetzlichen Krankenkassen, der Unfallversicherungsträger oder der Leistungsträger nach dem sozialen Entschädigungsrecht vor. Aber auch Leistungsverpflichtungen anderer oder nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtiger sind vorrangig, so dass diese Ansprüche nach den §§ 93 bzw. 94 SGB 12 auf den Sozialhilfeträger übergehen oder übergeleitet werden können, wenn dieser geleistet hat.
Aber auch das Einkommen und Vermögen muss vorrangig eingesetzt werden. Dabei kommt es nicht nur auf das Einkommen und Vermögen der Person des "Bedürftigen" an, sondern auf das der "Bedarfsgemeinschaft". Zu dieser gehören neben dem Leistungsberechtigten der nicht getrennt lebende Ehegatte oder Lebenspartner sowie bei unverheirateten minderjährigen Kindern deren Eltern oder ein Elternteil (§ 19 Abs. 3 SGB XII).
Was zum Einkommen zählt, ist § 82 SGB XII zu entnehmen. Danach zählt als Einkommen das Bruttoeinkommen. Das sind grundsätzlich alle Einnahmen, also Gehalt, Renten, Einnahmen aus Vermietung oder Zinsen. Zum Einkommen gehören auch diejenigen Sozialleistungen, die als Einkommensersatz dienen: also Renten, Arbeitslosengeld I und II, BAFöG, Krankengeld, Sozialhilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung im Alter. Bei Minderjährigen ist das Kindergeld dem jeweiligen Kind als Einkommen zuzurechnen, soweit es bei diesem zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes benötigt wird.
Nicht zum Einkommen zählen andere Leistungen nach dem SGB XII, die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und die Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.
Von dem Bruttoeinkommen sind nach § 82 Abs. 2 SGB XII abzuziehen:
Leistungen, die auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, sind nach § 83 Abs. 1 SGB XII nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck dient. Das Blindengeld nach einem Landesblindengeldgesetz bzw. die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII dient z. B. nicht für Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation. Nicht zum Einkommen zählt auch Schmerzensgeld (immaterieller Schaden) das wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung geleistet worden ist (§ 83 Abs. 2 SGB XII).
Nicht als Einkommen werden schließlich Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege berücksichtigt, soweit die Zuwendung die Lage der Leistungsberechtigten nicht so günstig beeinflusst, dass daneben Sozialhilfe ungerechtfertigt wäre (§ 84 Abs. 1 SGB XII).
Zuwendungen, die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben, also etwa ein Freund, sollen als Einkommen außer Betracht bleiben, soweit ihre Berücksichtigung für die Leistungsberechtigten eine besondere Härte bedeuten würde (§ 83 Abs. 2 SGB XII).
Sonderzahlungen wie zum Beispiel Urlaubsgeld, Steuererstattungen, Weihnachtszuwendungen sind in der Regel auf 12 Monate zu verteilen, also mit 1/12 als Monatsbetrag anzusetzen.
Nachzahlungen von Renten oder Arbeitslosengeld werden von dem Zeitpunkt an als Einkommen berücksichtigt, in dem sie ausgezahlt werden. Das heißt: Sie gelten nicht nachträglich als Einkommen für die Zeit, in der sie eigentlich hätten ausgezahlt werden müssen, sondern sind gegenwärtiges Einkommen. Wird bei der Nachzahlung ein größerer Betrag "auf einen Schlag" ausgezahlt, gilt der Betrag in dem Monat, in dem er ausgezahlt wird, als "Einkommen", im Monat darauf wird er als "Vermögen" behandelt.
Das zu berücksichtigende Einkommen ist den in § 85 festgelegten Einkommensgrenzen gegenüberzustellen. Die Einkommensgrenze ist gemäß § 85 SGB XII wie folgt zu errechnen:
(1) Einem Grundbetrag in Höhe des zweifachen Eckregelsatzes a 345 EUR (alte Bundesländer und Berlin, in den neuen Bundesländern 331 EUR; Änderung durch Landesrecht möglich), somit = 690 EUR (662 EUR)
plus
(2) die tatsächlichen Wohnkosten, soweit sie angemessen sind. Als Kosten für eine angemessene Unterkunft kann nicht nur der Mietzins incl. anfallender Nebenkosten für eine Mietwohnung, sondern auch der Kapitalzins für eine selbst genutzte Eigentumswohnung und die anfallenden Nebenkosten geltend gemacht werden.
Es werden in den meisten Fällen bis ca. 400 EUR monatlich anerkannt. Der Wert hängt ab
a) von der Angemessenheit der Größe der bewohnten Räume und
b) von der Angemessenheit der Kosten bezogen auf den durchschnittlichen Preis in der jeweiligen Wohngegend.
Zu a) werden vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit folgende Durchschnittswerte angegeben (vgl. BT-Drucksache 15/3663 S. 10):
Es müsste auch der erhöhte Wohnraumbedarf wegen Blindheit oder Sehbehinderung berücksichtigt werden, der in DIN 18025 Teil 2 mit 15 qm oder 1 Raum mehr angegeben wird.
plus
(3) einem Familienzuschlag in Höhe des auf volle Euro aufgerundeten Betrages von 70 vom Hundert des Eckregelsatzes für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner und für jede Person, die von der nachfragenden Person (so wird im SGB XII der im früheren Sozialhilferecht als "Hilfesuchender" Bezeichnete genannt), ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner überwiegend unterhalten worden ist oder für die sie nach der Entscheidung über die Erbringung der Sozialhilfe unterhaltspflichtig werden. Ist die Nachfragende Person minderjährig, so gilt für die Familienzuschläge nach § 85 Abs. 3 SGB XII folgendes: Der Familienzuschlag besteht aus einem auf volle Euro aufgerundeten Betrag von 70 vom Hundert des Eckregelsatzes für einen Elternteil, wenn die Eltern zusammenleben, sowie für die nachfragende Person und für jede Person, die von den Eltern oder der nachfragenden Person überwiegend unterhalten worden ist oder für die sie nach der Entscheidung über die Erbringung der Sozialhilfe unterhaltspflichtig werden.
Leben die Eltern nicht zusammen, richtet sich die Einkommensgrenze nach dem Elternteil, bei dem die nachfragende Person lebt. Lebt sie bei keinem Elternteil, bestimmt sich die Einkommensgrenze nach § 85 Absatz 1 SGB XII.
Zu beachten ist, dass das die Einkommensgrenze übersteigende Einkommen nicht voll herangezogen wird (§ 87 SGB XII). Wenn der Nachfragende blind im Sinn von § 72 SGB XII oder schwerstpflegebedürftig im Sinn von § 64 Abs. 3 SGB XII ist, bleiben von dem über die Einkommensgrenze hinaus erzielten Einkommen mindestens 60 % unberücksichtigt (§ 87 SGB XII).
Nach § 88 SGB XII kann der Einsatz des Einkommens, obwohl es unterhalb der Einkommensgrenze liegt in bestimmten Fällen verlangt werden, z. B. wenn zur Deckung des Bedarfs nur geringfügige Mittel erforderlich sind.
Häufig scheitert ein Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe nicht an den Einkommensgrenzen, sondern an den sehr niedrigen Vermögensgrenzen.
Nach § 90 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen Einzusetzen.
In den Abs. 2 und 3 wird das "Schonvermögen" festgelegt, welches nicht herangezogen werden darf. Danach gilt:
"(2) Die Sozialhilfe darf nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung
(3) Die Sozialhilfe darf ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist bei der Leistung nach dem Fünften bis Neunten Kapitel insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde."
Zu einzelnen Ziffern von § 90 Abs. 2 SGB XII ist zu bemerken:
Zu Nr. 2. - Altersvorsorge: Leider wird nur die staatlich geförderte Vorsorge ("Riester-Rente") geschützt. Sonstige private Vorsorgemaßnahmen sind benachteiligt. Bei Versicherungsverträgen wird zugemutet, ihren Wert selbst dann vorrangig vor der Sozialhilfe einzusetzen, wenn der aktuelle Wert in einem "Rückkaufswert" besteht, bei dessen Inanspruchnahme der Versicherte einen Nachteil in Kauf nehmen muss.
Zu 3. - Erspartes für den Hausbau oder -erwerb: Es muss sich um einen konkret geplanten Hausbau oder Hauserwerb handeln. Lediglich das Vorhandensein eines Bausparvertrages reicht dafür nicht.
Zu 5. - Für die Erwerbstätigkeit unentbehrliche Gegenstände: Hierzu können je nach Einzelfall ein PKW, ein LKW, kleinere Betriebsgrundstücke und viele andere Dinge gehören. Es muss jedoch die "Unentbehrlichkeit" für die Erwerbstätigkeit überzeugend dargestellt werden.
Zu 8. - Das selbstbewohnte Hausgrundstück: Dies ist mit die wichtigste Regelung. Sie enthält aber viel Streitpotential. Wann ist das Hausgrundstück, wann ist dessen Wert noch "angemessen"? Es gilt die Faustregel, dass Familieneigenheime und Eigentumswohnungen von 120 bis 130 qm Wohnfläche geschützt sind. Auch in diesem Zusammenhang sollte man darauf hinweisen, dass Blinden und Sehbehinderten gemäß DIN 18025 Teil 2 ein zusätzlicher Raumbedarf von 15 qm zugestanden werden sollte.
Zu 9. - Für die Bestimmung der "kleineren Barbeträge und sonstigen Geldwerte" gibt es eine eigene Verordnung (Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII). Die Höhe der "kleineren Barbeträge") wurde in dieser Rechtsverordnung sehr niedrig festgesetzt. Bei der Überschreitung ist zwar § 90 Abs. 3 SGB XII zu beachten. Diese Härtefallregelung wird aber sehr eng ausgelegt.
Nach § 1 Abs. 1 Buchstabe b der Verordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 gilt folgendes:
Kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sind,
Wird Vermögen mit dem Ziel ausgegeben, die für den kleinen Barbetrag geltende Grenze zu unterschreiten und dadurch die Sozialhilfebedürftigkeit herbeizuführen, so kann die begehrte Sozialhilfeleistung verweigert werden (§ 26 SGB XII). Werden Vermögensteile verschenkt und wird der Betreffende dadurch sozialhilfebedürftig, so kann das Sozialamt die Schenkung rückgängig machen (§ 528 BGB).